Befragungsreihenfolge im Strafprozess

Wenn es um die Reihenfolge der Befragung von Zeugen in einem Strafprozess geht, stellt sich die Frage in welcher Reihenfolge die Zeugen vernommen werden sollen. Im Gerichtsalltag der Strafgerichte ist es oft so, dass das Gericht die Reihenfolge, in der die Zeugen in der Anklageschrift aufgeführt sind, übernimmt. Die Staatsanwaltschaft schreibt jedoch regelmäßig ihre Hauptbelastungszeugen an die ersten Stellen in der Anklage. Entlastungszeugen tauchen oft noch nicht einmal in der Anklage auf.

Es ist zwar Sache des Vorsitzenden Richters über die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen zu bestimmen (vgl. § 238 Abs. 1 StPO), aber eine kluge Verteidigung versucht in geeigneten Fällen auf die Reihenfolge der Befragung Einfluss zu nehmen. Insbesondere muss immer kritisch hinterfragt werden, ob die aus der Anklageschrift hervorgehende Reihenfolge der Zeugen bei der Befragung übernommen werden muss. So kann es Fälle geben, in denen es sinnvoll ist, zunächst einmal einen Entlastungszeugen zu hören, etwa um dem Belastungszeugen eine Falschaussage zu ersparen!

Das Thema hat noch einen zweiten Aspekt: In welcher Reihenfolge dürfen die Verfahrensbeteiligten einen Zeugen befragen? Einigkeit besteht nur, dass der Vorsitzende Richter kraft seiner Befugnis, die Verhandlung zu leiten mit der Befragung beginnt. Beim Fragerecht der anderen Verfahrensbeteiligten bestimmt das Gesetz jedoch keine Reihenfolge (siehe § 240 StGB). Dennoch fragt in deutschen Strafgerichten in aller Regel die Verteidigung erst nach der Staatsanwaltschaft. Das muss nicht so sein. Wer zuerst fragen darf, hat einen Vorsprung, denn er kann – wie es Verteidiger so schön sagen – die „Wiese abmähen.“ Wenn die Verteidigung zuletzt den Zeugen befragen darf, weiß der Zeuge oft schon nicht mehr, was er überhaupt noch antworten soll, nachdem er von Gericht und Staatsanwaltschaft bereits umfassend befragt worden ist.

Vor allem, wenn die Verteidigung meint, den Zeugen lenken zu müssen, wird zu überlegen sein, ob sie beantragt, ihn vor der Staatsanwaltschaft befragen zu dürfen.

http://www.ra-schrank.de

Compliance und Unternehmensbuße

Wenn aus Unternehmen heraus Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden, kann auch gegen das Unternehmen eine Geldbuße festgesetzt werden (vgl. § 30 OWiG).

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16 – entschieden, dass sich zugunsten des Unternehmens bei der Bemessung einer Geldbuße auswirken kann, dass es sog. Compliance – Maßnahmen ergriffen hatte oder sogar erst nach der Tat installiert. Sog. Compliance – Management – Systeme dienen dazu, Rechtsverstöße aus einem Unternehmen heraus zu vermeiden.

Diese Entscheidung wurde von Rechtsanwälten geradezu bejubelt, denn die Entscheidung ist bestes Werbemittel für die Einführung von Compliance Management Systemen in Unternehmen. Solche Systeme sind kostspielig!

Leider hat der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass das Gesetz vorsieht, dass eine Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, der aus einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat gezogen wurde, übersteigen soll (§ 17 Abs. 4 S. 1 OWiG). Diese Regelung ist sehr gefährlich und hat schon so manches Unternehmen in die Gefahr der Insolvenz gebracht aus Anlass von Unternehmensbußen.

Vernehmungstaktik von Strafrichtern

Der Titel dieses Posts wird so manchen Richter provozieren. Sie werden entgegnen, dass sie keine Vernehmungstaktik, sondern eine Vernehmungstechnik anwenden, die darauf ausgerichtet ist, die Wahrheit zu ergründen. Nur darum gehe es ihnen.
So einfach ist es jedoch nicht, was die Praxis zeigt. Richter müssen ihre Fälle erledigen und neigen daher dazu, die ihnen vorgelegten Anklagen in Vernehmungen Punkt für Punkt abzuarbeiten. Wenn also beispielsweise ein Diebstahl angeklagt ist, wird der Richter wissen wollen, ob eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht durch den Angeklagten weggenommen worden ist. Darauf verdichten sich meist auch die Fragen der Richter. Insoweit ersteht auch – meist unbewusst – eine Erwartungshaltung. In diese Erwartungshaltung gehört nicht (!), dass es möglicherweise auch ganz anders gewesen ist als in der Anklage aufgeführt.
Das kann gewaltige Auswirkungen in einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung haben, etwa wenn ein Richter einen Angeklagten oder Zeugen unterbricht, obwohl der Vernommene Entlastendes berichten will.
Ein guter Verteidiger wird daher darauf achten, dass der Richter bei seiner Vernehmung den Angeklagten und Entlastungszeugen ausreden lässt, insbesondere sind Unterbrechungen des Richters durch leitende Fragen zu verhindern, die vom entlastenden Sachverhalt wegführen und zum Sachverhalt der Anklage hinführen.
Die Strafprozessordnung sieht ausdrücklich vor, dass Zeugen sogar das Recht haben, im Zusammenhang vortragen zu dürfen. Erst danach können Fragen gestellt werden (§ 69 StPO).

Finanzbeamter und Steuerhinterziehung = Entfernung aus dem Dienstverhältnis

Der Vorsteher eines Finanzamtes hatte Steuern verkürzt wegen unzutreffender Angaben über das Zusammenleben mit seiner damaligen Ehefrau, was ihm die günstigere Veranlagungsart „Zusammenveranlagung“ verschaffte. Er war von den Strafgerichten zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat das ausreichen lassen, um ihm im Disziplinarverfahren aus dem Dienstverhältnis zu entfernen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 27.12.2017 – 2 B 18/17 – sogar erklärt, dass die Höhe der verkürzten Steuer für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens unerheblich sei.

Das Gericht wies weiterhin darauf hin, dass im Disziplinarverfahren grundsätzlich eine Bindungswirkung an die Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren besteht (§ 57 BDG).

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Beamte im Strafverfahren um den Sachverhalt kämpfen müssen. Das Disziplinargericht wird im anschließen Disziplinarverfahren einen anderen Sachverhalt grundsätzlich nicht mehr berücksichtigen.

Kryptowährungen und Steuerhinterziehung

Die Behandlung von Kryptowährungen im Einkommensteuerrecht ist noch nicht abschließend geklärt. Die überwiegende Ansicht in der steuerlichen Literatur ist der Auffassung, dass der Verkauf von Kryptowährungen, die eine natürliche Person in ihrem Privatvermögen gehalten hat, zu sog. sonstigen Einkünften im Sinne von § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 EStG führt. Dabei anfallende Veräußerungsgewinne sind also steuerpflichtig, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt.

Wer also Veräußerungsgewinne, die aus Spekulationsgeschäften innerhalb eines Jahres mit solchen Währungen stammen, in der entsprechenden Steuererklärung nicht angibt, muss damit rechnen wegen Steuerhinterziehung verfolgt zu werden.

Der steuerliche Berater wird seinem Mandanten gegebenenfalls zu einer Selbstanzeige nach § 371 AO raten müssen.

Mitteilungspflichten bei Auslandsbeteiligungen

Das sog. Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.06.2017 hat insbesondere die bisherigen Anzeige- und Mitteilungspflichten von inländischen Steuerpflichtigen mit qualifizierten Auslandsbeteiligungen erweitert (im Einzelnen § 138 Abs. 2 AO). Darüber hinaus wurden flankierend Mitteilungspflichten für inländische Finanzdienstleister eingeführt, soweit sie entsprechende Geschäftsbeziehung des Steuerpflichtigen unterstützen (§ 138 b AO). Damit sind insbesondere auch Banken gemeint.

Wer zumindest in Höhe von 10 % am Vermögen einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder wenn die Anschaffungskosten der Beteiligung 150.000 € übersteigen, muss diese Beteiligung dem für ihn zuständigen Finanzamt mitteilen. Unmittelbare und mittelbare Beteiligungen sind dabei zusammenzurechnen.

Der Verstoß gegen die bloße Mitteilungspflicht unabhängig davon, ob damit eine Steuerhinterziehung oder Steuerverfehlung in Zusammenhang steht, kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden.

Zu den vorgenannten Vorschriften hat der BMF mittlerweile auch ein Schreiben vom 05.02.2018 erstellt, mit dem die neuen Regelungen näher erläutert werden (IV B 5-S 1300/07/10087 – IV A 3-S 0303/17/10001,2018/0071347).

Anlass der Gesetzesverschärfung waren die so genannten Panama Papers, mit denen Journalisten im Frühjahr 2016 die Diskussion über Steuerumgehung mit Briefkastengesellschaften in Steuerparadiesen anstießen.

Gebührenunterschreitung und Bestechlichkeit bei Notaren

Ein Notar ist Amtsträger. Er kann daher bestochen werden bzw. sich der Bestechlichkeit schuldig machen (vgl. §§ 332 und 334 StGB). Der Bundesgerichtshof hatte am 22.03.2018 – 5 StR 566/17 – über einen Notar zu urteilen, der mit einem Immobilienkaufmann vereinbart haben sollte, dass er ihn bevorzugt mit Beurkundungen beauftragen werde, wenn er unterhalb der gesetzlichen Gebühren abrechne. Klar ist, dass eine solche Vereinbarung gegen die Bundesnotarordnung verstößt (siehe § 17 Abs. S. 1 BNotO). Für den Bundesgerichtshof erfüllt eine solche Vereinbarung jedoch überdies die Straftatbestände der Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass nicht nur die Beurkundung, sondern auch die Erhebung der gesetzlichen Gebühren eine Diensthandlung sei. Das Gericht gibt weiter an, dass dem Notar mit einer solchen Vereinbarung auch ein Vorteil versprochen werde, obwohl der Notar zu geringeren (!) Gebühren abrechnet. Ein zugewendeter Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte könne auch die Erteilung eines Beurkundungsauftrages sein und die Vereinbarung werde getroffen, um künftige Beurkundungsaufträge zu erlangen, die ohne die Gebührenunterschreitung am Notar vorbeigingen.

Aussagen von Polizeibeamten

An Aussagen von Polizeibeamten ist zunächst einmal problematisch, dass sie häufig keine echten Erinnerungen haben. Es kommt oft die Aussage: „Wenn ich das damals so aufgeschrieben habe, dann hat es sich auch so zugetragen.“ Wichtig ist, dass der Verteidiger bei solchen Aussagen abklärt, ob der Polizeibeamte, obwohl er sich an den Vorgang nicht mehr erinnert, die volle Verantwortung für den Inhalt seiner schriftlichen Angaben übernimmt (vgl. OLG Düsseldorf DAR 1999, 274). Dabei ist erstens von Bedeutung, ob es lebensnah ist, dass sich der Polizeibeamte nicht mehr an den Vorgang erinnert. Bei einem Mordfall ist das eher unwahrscheinlich im Gegensatz zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr. Zweitens ist insoweit herauszuarbeiten, dass auch die Möglichkeit eines Irrtums besteht.

Gerichte unterstellen Polizeibeamten häufig zu leichtfertig, sie würden Wahres vortragen, weil sie nicht ihren Job gefährden wollen durch falsche Aussagen. Besonders ärgerlich sind Formulierungen im Urteil, wonach die Verurteilung auf den glaubhaften Angaben eines Polizeibeamten XY beruht, der gerichtsbekannt besonders zuverlässig und gewissenhaft ist. Das Gericht kann allenfalls vortragen, dass es einem bestimmten Polizeizeugen ständig glaubt. Ob der Zeuge zuverlässig und gewissenhaft ist, weiß das Gericht nicht. Richtig ist demgegenüber, die Aussagen von Polizeibeamten nach den gleichen Maßstäben auf Wahrheit zu analysieren wie es bei anderen Zeugen geschieht.

Schließlich kommt es häufig vor, dass Polizeibeamte vor Hauptverhandlungen ihre Anzeigen durchlesen. Der Polizeizeuge betet sodann gleichsam nur das herunter, was bereits aufgeschrieben worden ist. Es wird behauptet, es bestehe eine Erinnerung, aber jede Nachfrage, die zu ergänzenden Angaben führen könnte, wird mit mangelnder Erinnerung beantwortet. Der Polizeibeamte will sich also nur an genau das erinnern, was er damals aufgeschrieben hat. Für einen Verteidiger ist es wichtig, diesen Umstand herauszuarbeiten. Auch insoweit ist es wichtig dem Gericht vor Augen zu führen, dass Aussagen von Polizeibeamten genauso auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Irrtumsfreiheit zu überprüfen sind wie Angaben anderer Zeugen.

Es mag zwar sein, dass ein Polizeibeamter regelmäßig nicht lügen wird, aber die Praxis zeigt, dass Irrtümer auch bei Polizeizeugen weit verbreitet sind.

Vollstreckungsaufschub

Das Gesetz unterscheidet zwischen dem unbefristeten und dem vorübergehenden Aufschub bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Der unbefristete Aufschub der Vollstreckung kommt in der Praxis selten vor, weil das Gesetz daran hohe Anforderungen stellt. Etwa bei einer schweren Erkrankung muss von der Vollstreckung eine Lebensgefahr ausgehen (vgl. § 455 Abs. 2 StPO). In aller Regel lehnen die Staatsanwaltschaften diese Voraussetzung ab, weil sie behaupten, in der Strafanstalt sei eine angemessene medizinische Versorgung gewährleistet.

Größere Erfolgsaussicht in der Praxis haben Anträge auf einen vorübergehenden Vollstreckungsaufschub. Die Vollstreckung kann für längstens vier Monate aufgeschoben werden, wenn durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche Nachteile erwachsen. Als Nachteil gilt natürlich nicht die Freiheitsentziehung als solche (vgl. § 456 StPO). Geschenkt bekommt man den vorübergehenden Vollstreckungsaufschub also auch nicht, aber ein gut begründeter Antrag, der die Nachteile glaubhaft darlegt, hat oft Erfolg. Klassisches Beispiele: Der selbständige Verurteilte muss einen Vertreter in seinen Geschäftsbetrieb einarbeiten. Eine Ausbildung muss zu Ende geführt werden.

Strohgesellschaften und Umsatzsteuerbetrug

Der Bundesgerichtshof hatte in einem Beschluss vom 23.08.2017 – 1 STR 33/17 – in einem Fall zu entscheiden, in dem eine Strohgesellschaft in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden war. Die Angeklagten hatten sich der Strohgesellschaft bedient, um Zwischengeschäfte vorzutäuschen, die nötig waren, um den Umsatzsteuerbetrug umzusetzen. Die Angeklagten hatten nach innen Leitungsmacht in der Strohgesellschaft. Nach außen sind sie jedoch niemals für die Strohgesellschaft aufgetreten. Es ging ihnen gerade darum, mit dieser Gesellschaft nicht in Verbindung gebracht werden. Die Strohgesellschaft hatte keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und das Landgericht hatte die Angeklagten deshalb wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat diese Verurteilung aufgehoben. Richtig sei zwar, dass die Strohgesellschaft umsatzsteuerlich als Leistender anzusehen war und mithin Umsatzsteuer schuldete. Da die Angeklagten aber nach außen nicht für die Strohgesellschaft aufgetreten seien, seien sie auch nicht verpflichtet gewesen deren Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben.

Bei Umsatzsteuerbetrügereien spielen Strohgesellschaften häufig als sog. „Missing Trader“ eine erhebliche Rolle. Oft sind auch gutgläubige Unternehmen in die Absatzketten eingebunden, so dass für die Hintermänner ein Interesse daran besteht, nach außen für eine Strohgesellschaft nicht aufzutreten.

Diese Entscheidung dürfte die Verfolgung von Hintermännern bei Umsatzsteuerbetrügereien erschweren und bietet für die Verteidigung in solchen Verfahren interessante Ansätze.

http://www.ra-schrank.de