Das Bundesverfassungsgericht äußert sich im Beschluss vom 10.02.2021 – 2 BvL 8/19 zu der rückwirkenden Anwendbarkeit der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Art. 316h EGStGB). Das Gesetz normiert die Möglichkeit das durch Straftaten Erlangte einzuziehen (§§ 76a Abs. 2, 73b StGB).
Problematisch ist, dass durch die 2017 in Kraft getretenen neuen strengeren Einziehungsnormen für 30 Jahre rückwirkend angewandt werden können. Das heißt dies soll laut dem Gesetzgeber auch für Fälle vor dem Juli 2017 gelten. Es stellte sich also die Frage, ob dies mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien unvereinbar ist, insb. hinsichtlich des aus dem Rechtstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Rückwirkungsverbots, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.
Das BVerfG stellte zunächst fest, dass es sich bei der Einziehung nicht um eine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe handelt, sondern um eine präventive Maßnahme eigener Art mit Parallelen zum zivilrechtlichen Bereicherungsrecht. Daraus folgte, dass der Art. 316h StGB lediglich am allgemeinen (weniger strengen) Rückwirkungsverbot zu messen ist. Das Gericht entschied, dass die vorliegende Vorschrift durch überragende Belange des Allgemeinwohls gerechtfertigt und somit als Ausnahme verfassungsrechtlich zulässig sei. Auch die Verfolgungsverjährungsfristen sind dafür nicht hinderlich. Dahinter steht vordergründig die Idee das durch Straftaten Erlangte von den zu Unrecht Begünstigten (sowohl Straftäter als auch Dritte wie bspw. Unternehmen) abzuschöpfen, um wieder Gerechtigkeit herzustellen.
In der Praxis erscheint es jedoch auf Grund des für selbständige Einziehungsverfahren geltenden Opportunitätsprinzips und der Tatsache, dass es umstritten ist, ob in diesen Fällen Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, unwahrscheinlich, dass im großem Rahmen Vermögensabschöpfungen bei weit zurückliegenden Fällen durchgeführt werden. Des Weiteren steht noch eine Entscheidung des EGMR zu dieser Rückwirkung aus.
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