Das Bundesverfassungsgericht ist überlastet. Deshalb hat es die Anforderungen für eine zulässige Verfassungsbeschwerde erhöht. Daran ist tückisch, dass sich die erhöhten Anforderungen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Wer eine Verfassungsbeschwerde einlegen will, muss sie also kennen.
Interessant und exemplarisch ist insoweit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.11.2018 – 2 BvR 2172/18 -. Eine zulässige Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der Beschwerdeführer zuvor den Rechtsweg erschöpft hat (§ 90 Abs. 2 BVerfG). Das bedeutet zunächst einmal, dass der Beschwerdeführer die ihm eröffneten Instanzen durchlaufen muss. Weitergehend fordert das Bundesverfassungsgericht jedoch, dass er überdies eine sog. Anhörungsrüge erheben muss, wenn er geltend macht, dass die letztinstanzliche Entscheidung seinen Vortrag übergangen hat (sog. Gehörsverletzung). Das war hier der Fall und der Beschwerdeführer hatte es unterlassen, eine Anhörungsrüge zu erheben. Damit seien, so das Bundesverfassungsgericht, auch alle weiteren Grundrechtsrügen unzulässig!
Es ist in der Praxis nicht selten, dass eine Vielzahl von Verfassungsverstößen in einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden und gleichsam nebenbei auch eine Gehörsverletzung (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG). Wer in solchen Fällen jedoch die Anhörungsrüge versäumt, zerschlägt sich seine gesamte Verfassungsbeschwerde.
In diesem Zusammenhang ist es weiter wichtig zu wissen, dass das Bundesverfassungsgericht für eine zulässige Verfassungsbeschwerde ferner verlangt, dass der Beschwerdeführer seine verfassungsrechtlichen Beanstandungen bereits im Instanzenzug geltend macht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17. Januar 2014 – 1 BvR 3544/13 –). Auch dieses Erfordernis ergibt sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz.
Häufig werden solche Beanstandungen von den Beschwerdeführern daher schon bei den Fachgerichten vorgetragen, die sich damit aber nicht befassen. In diesen Fällen muss also eine Anhörungsrüge beim letztinstanzlichen Gericht erhoben werden, wenn die Verfassungsbeschwerde zulässig erhoben werden können soll.
In Zweifelsfällen sollte wie folgt vorgegangen werde: Es wird innerhalb der Monatsfrist nach Zugang der letztinstanzlichen Entscheidung sowohl eine Verfassungsbeschwerde eingelegt als auch eine Anhörungsrüge beim letztinstanzlichen Gericht erhoben. Auch insoweit sind die Fristen zu beachten! Sodann wird dem Bundesverfassungsgericht mitgeteilt, dass nicht entschieden werden soll, bevor über die Anhörungsrüge befunden wurde.