Fingerabdrucksensor und polizeilicher Zwang

In § 81 b Abs. 1 StPO heißt es:

„Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“

Das Landgericht Ravensburg meint in einem Beschluss vom 14.02.2023 – 2 Qs 9/23 -, dass diese Vorschrift auch unmittelbaren Zwang der Polizei abdeckt, der den Finger des Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor seines Mobiltelefons drückt, um es zu entsperren.

Diese Maßnahme stand dem Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift gewiss nicht vor Augen, zumal es bei dieser Maßnahme gar nicht im engeren Sinn um einen Fingerabdruck geht, sondern darum ein Handy zu entsperren, um an die Daten, die es enthält heranzukommen. Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Entwicklung in der Rechtsprechung zu diesen Fällen ist zu beobachten.

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Corona – Soforthilfen sind Subventionen

Der Bundesgerichtshof in Strafsachen hat mit Beschluss vom 04. Mai 2021 – 6 StR 137/21 –  entschieden, dass die sog. Corona Soforthilfen Subventionen sind. Damit ist der Anwendungsbereich der Strafvorschrift des Subventionsbetruges gemäß § 264 StGB eröffnet. Dadurch können falsche Angaben in den Anträgen zur Erteilung der Hilfen sehr viel leichter bestraft werden als es der Fall wäre, wenn nur die Strafvorschrift des Betruges angewendet werden dürfte.

Sogar nur leichtfertig falsche Angaben in den Anträgen können strafbar sein (vgl. § 264 Abs. 4 StGB).

Strafbar im Sinne eines Subventionsbetruges sind nur falsche oder unvollständige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen. Das Gericht stellt insoweit keine hohen Anforderungen. So genügte dem Gericht, dass in dem zu entscheidenden Fall der Angeklagte durch ein Kreuz seine Kenntnis bestätigte, dass es sich „bei den Angaben unter Ziff. […] um subventionserhebliche Tatsachen handelt.“ Es genügte auch der Hinweis im Formular, dass „alle in diesem Antrag anzugebenden Tatsachen subventionserheblich sind.“

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Weitergabe von Nackt- Selfies und Strafbarkeit

Es ist strafbar in einer Privatwohnung einvernehmlich erstellte Nacktaufnahmen weiterzugeben, wenn die abgebildete Person damit nicht einverstanden ist (vgl. § 201 a Abs. 1 Nr. 1 und 5 StGB). In der Praxis spielen diese Fälle insbesondere bei im Unfrieden zerbrochenen Parnerschaften eine Rolle („Revenge Porn“).

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 29.07.2020 –4 StR 49/20- klargestellt, dass das nicht nur für Fotos des Täters, sondern auch für Selbstaufnahmen gilt. Also: auch überlassene Nackt – Selfies dürfen nicht weitergegeben werden, wenn die abgebildete Person damit nicht einverstanden ist.

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Bewährung bei Bewährungsversagen?

Wer eine Straftat während einer laufenden Bewährungszeit begeht, muss davon ausgehen, dass bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe wegen der neuen Tat keine nochmalige Aussetzung zur Bewährung erfolgen wird. In Ausnahmefällen kann jedoch eine zweite Bewährung in Betracht kommen. Hierfür braucht es außergewöhnliche Umstände, die trotz des Bewährungsversagens in der Vergangenheit eine künftige Straffreiheit erwarten lassen. Vor allem muss überzeugend dargelegt werden, was sich an den Lebensverhältnissen des Angeklagten geändert hat im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei der ersten Bewährungsaussetzung geherrscht haben. Diese veränderten Verhältnisse müssen die Prognose tragen, dass es zu einem neuerlichen Bewährungsversagen nicht kommen wird. Schlichte Angaben des Angeklagten zu den angeblich veränderten Verhältnissen reichen jedoch nicht. Vielmehr müssen der Bewährungshelfer oder glaubhafte Zeugen die Angaben bestätigen, so das OLG München in einem Urteil vom 27.07.2020 – 203 STRR 210/20-.

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Akteneinsicht bei Nebenklage

Der Vertreter der Nebenklage hat ein Recht, die Strafakten einzusehen (vergleiche § 406 e Abs. 1 StPO. Die Akteneinsicht ist jedoch u. a. zu versagen, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten entgegenstehen (§ 406 e Abs. 2 S. 1 StPO). Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint (§ 406 e Abs. 2 S. 2 StPO).

In sog. Aussage-gegen-Aussage Konstellationen hat der Angeklagte ein Interesse daran, dass der Nebenklagevertreter seinen Mandanten nicht auf seine Aussage bei Gericht präparieren kann, indem er ihm den Inhalt früherer, z. B. polizeilicher Vernehmungen zur Kenntnis bringt. Gerade erhebliche Widersprüche zwischen früheren Zeugenaussagen und der Aussage bei Gericht, können die Glaubwürdigkeit des Zeugen erschüttern.

Zwischen den beiden gegensätzlichen Positionen Akteneinsicht ist zu gewähren oder Akteneinsicht ist nicht zu gewähren scheint sich in der Praxis ein merkwürdiger Kompromiss durchzusetzen.

Akteneinsicht wird dem Nebenklagevertreter gewährt, wenn er dem Gericht versichert, dass er seinem Mandanten keine Akteninhalte zur Kenntnis gibt (so nun auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2020 – 1 Ws 81/20 -). Damit kann letztlich keine Seite zufrieden sein. Der Nebenklagevertreter ist als Rechtsanwalt im Mandatsverhältnis verpflichtet, seinen Mandanten über den Akteninhalt zu informieren und der Beschuldigte wird nie sicher sein können, ob sich der Nebenklagevertreter an seine Zusicherung halten wird.

Es wird den Angeklagten bzw. den Verteidigern empfohlen, den Nebenkläger bei seiner gerichtlichen Zeugenaussage danach zu fragen, ob sich sein Rechtsanwalt an eine etwaige  Zusicherung gehalten hat, keine Kenntnis von den Akten zu vermitteln.

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Die Blutgrätsche als gefährliche Körperverletzung

In einem Fußballspiel der Kreisklasse war ein Spieler seinem Gegner von hinten mit ausgestrecktem Bein und offener Sohle in das Wadenbein gesprungen, wodurch Waden- und Schienbein durchbrachen. Das LG Hannover hat mit Urteil vom 28.11.2019 – 36 Ns 2864 Js 17334/19 (97/19) – entschieden, dass dieses Foul als gefährliche Körperverletzung zu bestrafen sei. Fußball sei, so das Gericht, ein Kampfspiel. Die Mitspieler wüssten um die Härte des Spiels und seien damit einverstanden. Aber: die Einwilligung decke keine Körperverletzungshandlungen unter vorsätzlicher Missachtung der Spielregeln. Aufgrund der Art und Weise, wie das Foulspiel ausgeführt wurde, kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass der Foulspieler seinen Gegner vorsätzlich umtreten wollte. Das Landgericht ist, was bemerkenswert ist, nicht nur der Auffassung, dass eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB vorliegt, sondern darüber hinaus eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr 2 Alt. 2 StGB, denn bei einem Fußballschuh mit Kunststoffstollen, der bei einem solchen Foul benutzt werde, handele es sich um ein gefährliches Werkzeug.

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Kronzeugenregelung auch nach Entdeckung der Tat

Das Gericht kann eine Strafe mildern oder sogar davon absehen, wenn der Täter einer Straftat eine im Zusammenhang mit seiner Tat stehende Straftat aufdeckt (vgl. i.e. § 46 b StGB). Der Bundesgerichtshof stellt in einer Entscheidung vom 26.04.2019 – 1 STR 471/18 – heraus, dass auch nach Entdeckung der Tat ein ausreichender Aufklärungserfolg eintreten kann, und zwar wenn die Aussage des Täters jedenfalls „eine sichere Grundlage für die Aburteilung der Taten schafft.“ Das eröffnet Verteidigungsmöglichkeiten, ohne dass der Angeklagte „als Verräter“ dastehen muss!

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Die „formlose“ Vermögensabschöpfung

Wir lesen derzeit viel über das neue verschärfte Recht der Einziehung im Strafverfahren, mit dem Erlöse aus Straftaten abgeschöpft werden. Daneben gibt es in der Praxis, obwohl im Gesetz nicht geregelt, den Verzicht des Angeklagten auf die Herausgabe von Taterlösen. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 20.03.2019 – 3 STR 67/19 – sich dahin geäußert, dass ein solcher Verzicht auch neben einer gesetzlichen Einziehung möglich ist, jedenfalls bei Bargelderlösen aus Rauschgiftgeschäften. Damit erhalte der Angeklagte die Möglichkeit, sich glaubhaft von einer Straftat zu distanzieren, was sich strafmildernd auswirken könne.

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Haftstrafen wegen des Vertriebs von Restaurantkassen mit Manipulationsfunktion

Das LG Osnabrück hat am 28.11.2019 – 2 Kls 2/19 – zwei Angeklagte wegen des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Fälschung technischer Aufzeichnungen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten hatten Kassen vertrieben, deren Software es ermöglichte nachträglich Umsätze herabzusetzen.

Die hohen Haftstrafen erklären sich insbesondere auch daraus, dass ein Steuerschaden von etwa 6 Mio. Euro nachgewiesen werden konnte. Im Sachverhalt fanden sich darüber hinaus Anhaltspunkte, dass die Kassensysteme möglicherweise in mehreren tausend Restaurants in Deutschland und Europa zum Einsatz kamen.

Dem Hauptangeklagten half, dass die Funktionsweise des Kassensystems zum Teil überhaupt erst mit seiner Hilfe aufgedeckt werden konnte. Zudem gab er Hinweise, wie sich Umsatzmanipulationen trotz der Manipulationssoftware in den Restaurants noch nachweisen ließen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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Der Lügendetektor im deutschen Strafprozess

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 17. Dezember 1998 – 1 StR 258/98 – entschieden, dass der Einsatz eines Lügendetektors in einer Hauptverhandlung ein völlig ungeeignetes Beweismittel sei. Damit wurde einem Angeklagten der Weg versperrt, mithilfe eines Lügendetektortest Zweifel an seiner Schuld zu wecken.

Wegen dieser Rechtsprechung ist aus dem Blick geraten, dass der Lügendetektortest mithilfe eines Tatwissentests sehr verlässliche Ergebnisse liefern kann. Der Täterwissentest prüft Täterwissen ab. Der Verdächtige wird etwa gefragt, wo sich die Leiche im Haus befunden habe a) im Keller b) im Schlafzimmer c) im Bad d) im Wohnzimmer oder e) in der Diele. In der Regel besteht eine erhöhte körperliche Reaktion des Probanden, wenn ihm eine wahre Alternative vorgehalten wird. Werden mehrere Fragen zum Täterwissen gestellt, steigt mit jeder Frage die Wahrscheinlichkeit erheblich an, dass der Proband der Täter ist, wenn bei den jeweils wahren Alternativen eine erhöhte körperliche Reaktion erfolgt.

Der Tatwissentest funktioniert allerdings nur, wenn der Verdächtige unvorbereitet mit Täterwissen konfrontiert wird. Kennt der Verdächtige die Ermittlungsergebnisse, wäre damit zu rechnen, dass der Unschuldige genauso stark reagiert, wie der Schuldige, womit nichts gewonnen wäre.

Über Akteneinsichten und die Anklageschrift kennt der Verdächtige die Ermittlungsergebnisse, so dass ein Lügendetektortest mithilfe eines Täterwissentests in einer Hauptverhandlung zu spät käme. Sinnvoll kann es jedoch sein, dass ein Unschuldiger bereits im Ermittlungsverfahren ohne Aktenkenntnis auf einen Lügendetektortest drängt, um den Tatvorwurf schon dort zu erschüttern. Zwar ist die Staatsanwaltschaft oder Polizei nicht verpflichtet solche Tests durchzuführen, aber häufig ist nicht bekannt, wie zuverlässig ein Lügendetektortest mithilfe eines Tatwissentests ist. Nach entsprechender Aufklärung lassen sich Staatsanwaltschaft oder Polizei möglicherweise darauf ein.

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