Der BGH hat mit Urteil vom 13. September 2018 – 1 StR 642/17 – seine Rechtsprechung geändert. Bei der Prüfung der Hinterziehung von Umsatzsteuer können nunmehr Vorsteuern bei der Ermittlung des Verkürzungsumfangs unmittelbar mindernd angesetzt werden, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangsumsatz besteht. Vorausgesetzt ist natürlich, dass der Steuerpflichtige die entsprechende Vorsteuer bislang ebenfalls verschwiegen hatte.
Das „verliehene“ Bankkonto und die Umsatzsteuer
In der Praxis gibt es häufig Probleme, wenn aus Gefälligkeit Kontoverbindungen Dritten für Geldüberweisungen überlassen werden. Oftmals werden betrügerische Geschäfte im Internet über die Konten von gutgläubigen Konteninhabern abgewickelt, die Gelder über ihr Konto in Empfang nehmen und weitergeben. Später müssen sie in diesen Fällen die Gelder, die sie folgerichtig nicht mehr haben, als Schadensersatz an die Betrugsopfer oder die Bank leisten.
Das Finanzgericht Münster (Urteil vom 12.09.2017, 15 K 1089/15 U) hat einem Fall entschieden, in dem ein Konto für zwei Überweisungen aus Gefälligkeit überlassen wurde. Steuerlich wurde der Fall bedeutsam, weil die Person, für die die Überweisung ausgeführt und die das überwiesene Geld in Empfang nahm, heimlich zwei Rechnungen ausgestellt hatte auf den Namen des Kontoinhabers. In diesen Rechnungen war Umsatzsteuer ausgewiesen, die der Kontoinhaber nunmehr zahlen sollte.
Das Gesetz sieht in § 14 c UStG vor, dass eine Umsatzsteuer schon dann geschuldet wird, wenn sie in einer Rechnung ausgewiesen ist, ganz unabhängig davon, ob eine Leistung erbracht wurde. Schuldner dieser sog. fiktiven Umsatzsteuer ist der Rechnungsaussteller.
Nun hatte der Kontoinhaber die Rechnungen nicht selbst erstellt, aber das Gericht hat geprüft, ob er bei ordnungsgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, dass Rechnungen auf seinen Namen ausgestellt wurden. Das Gericht geht davon aus, dass das nicht der Fall war und rechnet dem Kontoinhaber die Rechnungen daher nicht zu. Der Kontoinhaber habe lediglich für zwei Überweisungen sein Konto überlassen. Er habe daher nicht davon ausgehen können, dass der Dritte abredewidrig seinen Namen für die entsprechenden Rechnungen verwende.
Das Gericht deutet allerdings auch an, dass es wohl anders entschieden hätte, wenn das Konto für eine Vielzahl von Überweisung überlassen worden wäre. Es gilt also auch steuerlich: Finger weg von der Verleihung von Konten.
Umsatzsteuer und Verjährung im Strafrecht
Wer sich gegen einen Vorwurf aus dem Steuerstrafrecht verteidigen will, kommt leider ohne Kenntnisse aus dem Steuerrecht nicht aus. Das zeigt etwa sehr anschaulich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2017 – 1 StR 279/17-, in der es darum ging, wann eine Umsatzsteuerhinterziehung strafrechtlich verjährt.
Die Verjährung im Strafrecht tritt mit der Beendigung der Straftat ein (§ 78 a S. 1 StGB). Bei Veranlagungssteuern wird die Beendigung der Tat üblicherweise angenommen, wenn der unrichtige Steuerbescheid bekannt gegeben worden ist. Im Fall des BGH hatte der Täter eine falsche Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben. Weil diese Erklärung gemäß § 168 S. 1 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galt, begann die strafrechtliche Verjährungsfrist bereits mit Abgabe der unrichtigen Erklärung zu laufen. Das rettete den Angeklagten, denn seine Umsatzsteuerhinterziehung war damit verjährt. Er konnte insoweit nicht mehr bestraft werden.
Wenn das Finanzamt der Umsatzsteuerjahreserklärung jedoch nicht gefolgt wäre und einen eigenständigen Umsatzsteuerbescheid erlassen hätte oder aber gemäß § 168 S. 2 AO der Erklärung noch hätte zustimmen müssen, hätten sich andere Fristenläufe ergeben. Wir sehen sehr schön, dass ohne das Steuerrecht die rein strafrechtliche Frage nach der Verjährung einer Straftat in diesem Fall nicht zu lösen ist.
Strohgesellschaften und Umsatzsteuerbetrug
Der Bundesgerichtshof hatte in einem Beschluss vom 23.08.2017 – 1 STR 33/17 – in einem Fall zu entscheiden, in dem eine Strohgesellschaft in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden war. Die Angeklagten hatten sich der Strohgesellschaft bedient, um Zwischengeschäfte vorzutäuschen, die nötig waren, um den Umsatzsteuerbetrug umzusetzen. Die Angeklagten hatten nach innen Leitungsmacht in der Strohgesellschaft. Nach außen sind sie jedoch niemals für die Strohgesellschaft aufgetreten. Es ging ihnen gerade darum, mit dieser Gesellschaft nicht in Verbindung gebracht werden. Die Strohgesellschaft hatte keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und das Landgericht hatte die Angeklagten deshalb wegen Umsatzsteuerhinterziehung verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat diese Verurteilung aufgehoben. Richtig sei zwar, dass die Strohgesellschaft umsatzsteuerlich als Leistender anzusehen war und mithin Umsatzsteuer schuldete. Da die Angeklagten aber nach außen nicht für die Strohgesellschaft aufgetreten seien, seien sie auch nicht verpflichtet gewesen deren Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben.
Bei Umsatzsteuerbetrügereien spielen Strohgesellschaften häufig als sog. „Missing Trader“ eine erhebliche Rolle. Oft sind auch gutgläubige Unternehmen in die Absatzketten eingebunden, so dass für die Hintermänner ein Interesse daran besteht, nach außen für eine Strohgesellschaft nicht aufzutreten.
Diese Entscheidung dürfte die Verfolgung von Hintermännern bei Umsatzsteuerbetrügereien erschweren und bietet für die Verteidigung in solchen Verfahren interessante Ansätze.
Umsatzsteuerausfälle und Online-Handel
Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet beschlossen. Danach wird ein neuer § 22 f UStG eingeführt, mit dem Betreiber elektronischer Marktplätze verpflichtet werden, bestimmte Daten ihrer Händler zu erfassen. Aufgezeichnet wird insbesondere ab Januar 2019:
der Name und die Anschrift des liefernden Unternehmers
Steuernummer und soweit vorhanden Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des liefernden Unternehmers
der Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung sowie der Bestimmungsort der Ware
der Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes.
Die Daten können sodann von der Finanzverwaltung ohne weiteres über Sammelauskunftsersuchen abgefragt werden.
Die liefernden Unternehmer müssen sich weiterhin eine Bescheinigung über ihre steuerliche Erfassung des für sie zuständigen Finanzamtes besorgen. Unternehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im
Inland, einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf
den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist, haben einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen.
Erfolgt die Registrierung auf dem elektronischen Marktplatz des Betreibers nicht als Unternehmer, müssen Name und Anschrift und Geburtsdatum des Liefernden, Versendungs- und Bestimmungsort der Ware und Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes aufgezeichnet werden.
Weiterhin soll eine Haftung der Betreiber der Handelsplattformen eingeführt werden für ausgefallene Umsatzsteuer, sofern die Betreiber bestimmte Pflichten, wozu auch die Aufzeichnungspflicht gehört, verletzen. Die Einzelheiten stelle ich hier nicht dar. (vgl. i.e. § 25 e UStG).