Vertrauensschutz und innergemeinschaftliche Lieferung

Der Bundesfinanzhof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Käufer von Getränken dem Verkäufer vorgetäuscht hatte, sie werden ins Ausland geliefert. Tatsächlich waren die Getränke noch im Inland umgeleitet worden, was der Verkäufer, so behauptete er, nicht gewusst habe. Das Finanzamt hatte dem Verkäufer die Umsatzsteuerfreiheit dieser vorgetäuschten Ausfuhrlieferung versagt. Der Verkäufer berief sich auf Vertrauensschutz, da ihm eine Ausfuhrlieferung vom Käufer vorgetäuscht worden sei. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6 a Abs. 4 UStG). Die USt – Idnr. des Käufers war bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung vom Bundeszentralamt für Steuern dem Verkäufer nach entsprechender Abfrage noch als gültig mitgeteilt worden. Kurz darauf wurde diese USt – Idnr. jedoch gelöscht. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit unter Hinweis darauf, dass der Verkäufer zeitnah vor der ersten Lieferung und einige Wochen später im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung die Gültigkeit der USt – Idnr. nochmals hätte abfragen müssen, was hier nicht geschehen war.

Seit 01.01.2020 ist übrigens gemäß § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG die Gültigkeit der USt – Idnr. des Abnehmers im Zeitpunkt der Lieferung (!) Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer gemeinschaftlichen Lieferung.

Es ist den Steuerpflichtigen daher zu empfehlen, in entsprechenden Fällen zeitnah vor der ersten Lieferung und im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen regelmäßig wiederholend, die USt – Idnr. des Abnehmers beim Bundeszentralamt für Steuern abzurufen (vgl. zum Abruf: § 18 e UStG).

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Cum – Ex Geschäfte – leicht erklärt

Die deutsche Finanzverwaltung und Justiz arbeiten zunehmend die sog. Cum Ex Geschäfte auf, mit denen Steuerschäden in Milliardenhöhe angerichtet wurden. Damit sich auch der steuerliche Laie ein Urteil bilden kann, worum es hier geht, erfolgt folgende (stark vereinfachte) dafür anschauliche Erklärung:

Aktien werden vor einer Hauptversammlung verkauft. In diesem Zeitpunkt enthalten die Aktien noch den Dividendenanspruch und danach bemisst sich auch der Kaufpreis (Verkauf also „cum“ Dividenanspruch). Geliefert und übereignet an den Käufer werden diese Aktien jedoch erst nach der Hauptversammlung. Zu diesem Zeitpunkt haben die Aktien den Dividendenanspruch nicht mehr, denn Aktiengesellschaften schütten ihre Dividende jeweils am Tag nach der Hauptversammlung üblicherweise aus (Lieferung also „ex“ Dividendenanspruch). Weil der Käufer nur noch Aktien ohne Dividenanspruch erhält, zahlt ihm der Verkäufer einen Ausgleich in Höhe der Netto – Dividende, die er als (Noch-) Inhaber der Aktien von der Aktiengesellschaft erhalten hatte. Gleichzeitig bescheinigt dem Käufer dessen Depotbank, dass hinsichtlich der Ausgleichszahlung (!) Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Mit dieser Bescheinigung kann sich der Käufer Kapitalertragssteuer auf seine Einkommensteuer anrechnen lassen. Für den Käufer stimmt damit alles. Er hat eine Aktie mit Dividenanspruch gekauft und bezahlt und hat Aktien ohne Dividenanspruch erhalte zuzüglich der Ausgleichszahlung in Höhe der Nettodividende nebst einer Steuerbescheinigung. Und jetzt kommt es: Tatsächlich erfolgte ein solcher Einbehalt von Kapitalertragssteuer auf die Ausgleichszahlung jedoch nicht. Dafür wäre die den Verkaufsauftrag ausführende inländische Bank zuständig gewesen. Der Verkäufer schaltete jedoch eine ausländische Bank ein, die nicht einbehielt, weil sie nicht dazu verpflichtet war. Der Aktienverkäufer erhielt somit über den Kaufpreis einen (Brutto-) Dividendenanspruch, glich jedoch netto, also ohne Steuer, gegenüber dem Käufer aus. Der Fiskus rechnet beim Käufer eine Steuer an, die nie einbehalten wurde und der daraus erwachsene wirtschaftliche Vorteil verbleibt beim Verkäufer. Um jedoch einen Anreiz zu geben bei diesem Geschäft mitzumachen, wurde dieser wirtschaftliche Vorteil vom Verkäufer der Aktien unter den Beteiligten aufgeteilt, zumindest zwischen ihm und dem Käufer der Aktien. Die Aktien wurden meist wieder zurück verkauft. Kursrisiken wurden über entsprechende Finanzmarktprodukte abgesichert. Es ging bei diesen Geschäften also nie darum im engeren Sinne mit Aktien Geld zu verdienen, sondern um den oben beschriebenen wirtschaftlichen Vorteil, der für die Beteiligten einen narrensicheren Gewinn bedeutete.

Jetzt ist das Gejammer groß, denn die Finanzverwaltung leitet Steuerstrafverfahren ein und will die tatsächlich nicht einbehaltene Steuer einholen. Der Aktienkäufer sagt: Ich wusste nicht, dass ein Steuereinbehalt gar nicht stattgefunden hat. Immerhin habe ich eine Steuerbescheinigung bekommen. Der Aktienverkäufer sagt: Ich wusste nicht, dass eine Steuerbescheinigung ausgestellt wurde. Die Depotbank, die die Steuerbescheinigung ausstellte, sagt: Ich wusste nicht, dass die Steuer nicht einbehalten wurde und die ausländische Bank, die den Verkauf betreute, sagt: Ich war nach dem Gesetz nicht verpflichtet einzubehalten. Diese Gutgläubigkeit wird den Beteiligten bislang von den Behörden nicht immer abgenommen!

Jetzt ist auch klar, warum den Gesetzgeber der Vorwurf trifft, diese enormen Steuerschäden begünstigt zu haben. Bis 2007 war noch nicht einmal eindeutig geregelt, dass die Ausgleichszahlungen kapitalertragssteuerpflichtig sind. Die entscheidende Lücke bestand jedoch darin, dass die Steuer auf die Ausgleichszahlung nur von inländischen Banken, die mit dem Verkauf beauftragt waren, einzubehalten war und über ausländische Banken umgangen werden konnte. Erst 2012 hat der Gesetzgeber diese Lücke geschlossen.

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Ausschlussfrist und beschlagnahmte Unterlagen

Das Finanzgericht kann einem Kläger eine Ausschlussfrist für den Vortrag von Tatsachen setzen (vgl. i.e. § 79 b AO). Nach fruchtlosem Ablauf einer solchen Ausschlussfrist ist es dem Kläger im Regelfall nicht mehr möglich sich mit Tatsachen gegen einen angegriffenen Steuerbescheid zu verteidigen.

Der Bundesfinanzhof stellt in einem Beschluss vom 27.12.2019 – X B 6/18 – klar, dass eine solche Ausschlussfrist nicht gesetzt werden darf, solange es dem Kläger objektiv unmöglich ist, verfahrenswesentliche beschlagnahmte Unterlagen einzusehen bzw. Kopien dieser Unterlagen zu erhalten.

Eine solche Konstellation kann eintreten, wenn neben dem finanzgerichtlichen Verfahren ein Strafverfahren, insbesondere wegen Steuerhinterziehung, anhängig ist.

In Strafverfahren werden nicht selten umfangreich Unterlagen beschlagnahmt, die für die Verteidigung gegen Steuerbescheide in einem finanzgerichtlichen Verfahren dringend benötigt werden. Die Kläger müssen also das Finanzgericht darauf hinweisen, wenn ihnen über eine Akteneinsicht ein Zugang zu den beschlagnahmten Unterlagen im Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörden nicht ermöglicht wird.

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Steuerschuld und Nachlassverbindlichkeiten

Die Leitsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 11.07.2019, II R 36/16 lauten:

„Die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits  rechtlich  entstanden  waren  oder  die der  Erblasser  als  Steuerpflichtiger  durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet hat, sind Nachlassverbindlichkeiten.“

Erläuterung: Dass der Erbe die noch beim Erblasser entstandenen Steuern vom Nachlasswert, der für die Berechnung der Erbschaftssteuer herangezogen wird, absetzen kann, drängt sich als richtig auf.

„Steuerschulden können nicht abgezogen werden, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung darstellen.“

„An  der  wirtschaftlichen  Belastung  fehlt es,  wenn  bei  objektiver  Würdigung  der Verhältnisse nicht damit gerechnet werden kann, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen werde.“

Erläuterung: Diese beiden Leitsätze sind insbesondere von Bedeutung bei Steuerhinterziehung des Erblassers, die im Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht entdeckt ist.

„Ändern  sich  die  Verhältnisse  nachträglich in der Weise, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung  der  Steuerforderung  zu  rechnen ist, ist dies ein Ereignis mit materiell-rechtlicher  Rückwirkung,  das  die  Änderung  des Erbschaftssteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht.“

Erläuterung: Dieser Leitsatz ist neue Rechtsprechung und bedeutet, dass die Finanzämter, wenn Steuerhinterziehungen nach dem Tod des Erblassers aufgedeckt werden und gegebenenfalls zu erheblichen Steuernachforderungen zulasten der Erben führen, einen Abzug vom Nachlasswert bei der Erbschaftssteuer nachträglich noch ermöglichen müssen, und zwar auch noch nach Bestandskraft des Erbschaftssteuerbescheides.

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Untreueschäden als Betriebsausgabe

Der Bundesfinanzhof hat in einem Beschluss vom 13.11.2019 – VIII S 37/18 – folgenden Leitsatz veröffentlicht.

„Unberechtigte Entnahmen eines Mitunternehmers aus dem bereits vorhandenen oder realisierten Gesellschaftsvermögen führen wie Veruntreuungen durch einen Nichtgesellschafter bei der Mitunternehmerschaft zu einer Betriebsausgabe. Bei einer Personengesellschaft, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt, kommt die (korrespondierende) Aktivierung eines durch unberechtigte Entnahmen des ungetreuen Gesellschafters entstandenen Ersatzanspruchs nicht in Betracht.“

Der Leitsatz ist für einen Laien möglicherweise schwer verständlich. Die Entscheidung ist jedoch wichtig für Schäden, die Unternehmen von innen heraus zugefügt werden. Das Finanzamt versucht leider nicht selten Schäden, die durch den Griff in die Kasse eines Unternehmens verursacht werden, nicht zum Abzug im Rahmen der Besteuerung zuzulassen. Der Bundesfinanzhof schiebt dem einen weiteren Riegel vor. In der Fallgestaltung, die dem Gericht vorlag hatte der Mitgesellschafter einer Personengesellschaft von Steuerberatern in die Kasse gegriffen. Die Gesellschaft durfte also den Schaden, der ihr durch den Mitgesellschafter entstanden war, steuerlich zum Abzug bringen.

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Haftstrafen wegen des Vertriebs von Restaurantkassen mit Manipulationsfunktion

Das LG Osnabrück hat am 28.11.2019 – 2 Kls 2/19 – zwei Angeklagte wegen des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Fälschung technischer Aufzeichnungen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten hatten Kassen vertrieben, deren Software es ermöglichte nachträglich Umsätze herabzusetzen.

Die hohen Haftstrafen erklären sich insbesondere auch daraus, dass ein Steuerschaden von etwa 6 Mio. Euro nachgewiesen werden konnte. Im Sachverhalt fanden sich darüber hinaus Anhaltspunkte, dass die Kassensysteme möglicherweise in mehreren tausend Restaurants in Deutschland und Europa zum Einsatz kamen.

Dem Hauptangeklagten half, dass die Funktionsweise des Kassensystems zum Teil überhaupt erst mit seiner Hilfe aufgedeckt werden konnte. Zudem gab er Hinweise, wie sich Umsatzmanipulationen trotz der Manipulationssoftware in den Restaurants noch nachweisen ließen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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Steuer bezahlt – Finanzamt will trotzdem Insolvenzverfahren

Der Steuerpflichtige hatte nach einem Insolvenzantrag des Finanzamtes die offene Steuerforderung erfüllt. Dennoch verlangte das Finanzamt, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Mit diesem Fall hatte sich das FG Hamburg in einer Entscheidung vom 02.07.2019 – 2 V 121/19 – auseinanderzusetzen.

Das Gesetz sieht vor, dass ein Insolvenzantrag sich nicht ohne weiteres durch die Erfüllung der Forderung des den Antrag stellenden Gläubigers erledigt (§ 14 Abs. 1 S. 2 InsO). Der Gläubiger muss allerdings glaubhaft machen, dass Insolvenzgründe (insbesondere Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) noch fortbestünden.

Schon diese Glaubhaftmachung war dem Finanzamt nicht gelungen. Überdies sah das Gericht aber auch eine Aufrechterhaltung des Insolvenzantrages als unverhältnismäßig an. Der Steuerpflichtige hatte eine Generalbereinigung seiner wirtschaftlichen Situation eingeleitet und dem Finanzamt zur Sicherung künftiger Ansprüche die Eintragung einer Sicherungsgrundschuld angeboten.

So erfreulich die Entscheidung ist. In ihr wird allerdings auch vorgetragen, dass das Finanzamt grundsätzlich ein Interesse an der Fortführung eines Insolvenzverfahrens haben kann, auch wenn laufende Steuerschulden beglichen sind. Begründung: als öffentlicher Gläubiger kann das Finanzamt das Entstehen weitere Forderungen gegen den Schuldner nicht einseitig verhindern.

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Steuerliche Haftung bei mehreren Geschäftsführern

Die Geschäftsführer einer GmbH können für Steueransprüche gegen ihre Gesellschaft in Haftung genommen werden, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Pflichten verletzen und dadurch nicht oder nicht rechtzeitig Steuern festgesetzt oder erfüllt werden (§ 69 Satz eins AO, 34 AO).

Besteht, wie nicht selten, die Geschäftsführung aus mehreren Personen werden die Aufgaben oft verteilt. Für steuerliche Angelegenheiten ist häufig nur ein Geschäftsführer zuständig. Das FG Münster hatte mit Urteil vom 30.04.2019 – 12 K6 120/15 – darüber zu entscheiden, ob der Geschäftsführer einer GmbH gegen seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner einwenden kann, er sei für steuerliche Angelegenheiten nicht zuständig gewesen, sondern sein Mitgeschäftsführer.

Das Gericht ließ den Einwand nicht gelten. Es gelte der Grundsatz der Allzuständigkeit. Einschränkungen setzen voraus, dass eine Aufgabenverteilung unter den Mitgeschäftsführern schriftlich und von vornherein eindeutig geregelt ist. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor.

Aber auch, wenn der Kläger eine solche schriftliche Vereinbarung im Prozess hätte vorlegen können, wäre er damit noch nicht zwingend aus der Haftung heraus. Die Rechtsprechung verlangt, dass der nicht mit den steuerlichen Angelegenheiten betraute Geschäftsführer den insoweit zuständigen Geschäftsführer überwacht. Die entscheidende Frage hier: Hätten bei Überwachung verständige Zweifel aufkommen müssen, dass der zuständige Geschäftsführer steuerlichen Pflichten der Gesellschaft nicht ordnungsgemäß erfüllt? (vgl. BFH, Beschluss vom 07. Juli 2009 – VII B 248/08 –).

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Schätzungsmethode Nachkalkulation

Eine nach wie vor beliebte Methode der Finanzverwaltung Umsätze von Steuerpflichtigen zu schätzen ist die Nachkalkulation. Dabei werden mit Hilfe von Kalkulationsgrundlagen die vom jeweiligen Betrieb angeblich erzielten Umsätze ermittelt und Rückschlüsse auf den angeblichen Gewinn gezogen. Die Finanzverwaltung nimmt etwa den Waren- bzw. Materialeinsatz, sowie die Preisliste des Betriebes her und kalkuliert damit einen Ausgangsumsatz auf.

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Steuerumgehung und Europarecht

Steuerrecht ist heute in weiten Teilen umgesetztes Recht der Europäischen Union. Daher sind auch immer wieder Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (kurz: EuGH) für das Steuerrecht von Interesse. Sie wirken sich unmittelbar in die Anwendung von Steuerrecht auf nationaler Ebene aus.

In einem Urteil vom 26.02.2019 – C – 115/16 – hatte sich der EuGH mit so genannten Durchleitungsgesellschaften zu befassen. Das sind Gesellschaften, die letztlich nur deshalb gegründet worden sind, um Einkünfte auf Niedrigsteuerländer umzuleiten. Diese Einkünfte werden sodann gleichsam hinterrücks wieder zurück in die Hochsteuerländer zurückgeleitet. Diese Umwege halten sich formal an das Recht und werden aus rein steuerlichen (Spar-) Gründen gemacht.

Der EuGH betont zunächst, dass es einen allgemeinen Grundsatz im Unionsrecht gibt, wonach eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist und die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen kann, dass die missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden.

Sodann führt das Gericht aus, dass „der Grundsatz des Missbrauchsverbots in Steuersachen Anwendung findet, wenn die Erlangung eines Steuervorteils Hauptzweck der betreffenden Transaktionen ist.“

Diese Aussage des Gerichts ist strenger als das, was der Bundesfinanzhof vergleichbar zu der Frage unzulässigen steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) judiziert. Danach genügt es schon, um dem Vorwurf steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs zu entgehen, beachtliche weitere Gründe für die Gestaltung anzuführen. Für den EuGH kommt es offenbar auf solche weiteren Gründe nicht an, solange die Erlangung eines Steuervorteils Hauptzweck der Gestaltung ist.

Der EuGH weiter:

„Ein Konzern, der nicht aus Gründen geschaffen wird, die durch die wirtschaftliche Realität bedingt sind, der eine Pro-forma-Struktur hat und dessen Hauptzweck oder einer seiner Hauptzwecke die Erlangung eines Steuervorteils ist, der dem Ziel oder Zweck der anwendbaren Steuervorschriften zuwiderläuft, kann als künstliches Gebilde angesehen werden.“

Damit dürfte sich eine Vielzahl von weltweit agierenden prominenten Konzernen angesprochen fühlen. Ob der politische Wille besteht, die Rechtsprechung des EuGH konsequent in den kommenden Jahren umzusetzen, wird die Zeit zeigen.

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