„Kontoleihe“ und Haftung für Steuerschulden

Fälle bei der sog. „Kontoleihe“ bergen eine Vielzahl von Risiken. Das Finanzgericht Münster, Urteil vom 18. Juni 2019 – 2 K 1290/18 AO – hatte einen Fall zum Gegenstand, in der ein „Kontoverleiher“ für Steuerschulden des „Kontoleihers“ in Anspruch genommen wurde. Die Klägerin – eine Erzieherin – hatte der insolventen Ltd. Gesellschaft ihres Lebensgefährten ihr Konto als Geschäftskonto zur Verfügung gestellt. Rechtshandlungen eines Schuldners sind anfechtbar, wenn sie seine Gläubiger (hier: das Finanzamt) benachteiligen (§ 1 AnfG). Mit einem sog. Duldungbescheid kann das Finanzamt von einem Dritten holen, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben ist (vgl. §§ 191 Abs. 1 AO, 11 Abs. 1 AnfG).

Hier sollte die Kontoleihe die Einnahmen der Ldt. den Gläubigern entziehen, die auf das Konto der Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung nicht zugreifen konnten. Das Finanzamt hatte die Klägerin rückwirkend für zehn Jahre in Anspruch genommen hinsichtlich aller in diesem Zeitraum auf das Konto für die Ltd. erfolgter Gutschriften. Das Finanzgericht Münster grenzte immerhin den Zeitraum auf vier Jahre ein, weil der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie von dem Vorsatz ihres Lebensgefährten, die Gläubiger zu benachteiligen, etwas wusste (siehe näher §§ 3 und 4 AnfG).

Also: Besser Finger weg von der Kontoleihe, auch wenn der Ehegatte, Lebensgefährte, Freund oder Verwandte dringend bittet!

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Steuerhinterziehung – Job als Geschäftsführer weg

In diesem Blog wurden schon häufig Entscheidungen mitgeteilt, die schwerwiegende Folgen von Steuerhinterziehung auf anderen Gebieten aufzeigen. Das Landgericht Gera hatte in seinem Urteil vom 28.03.2019 – 11 HK O 55/18 – einen arbeitsrechtlichen Fall zum Gegenstand. Das Gericht entschied, dass die Kündigung eines (Fremd-) Geschäftsführers einer GmbH aus wichtigem Grund wirksam ist. Der Geschäftsführer hatte gegenüber der Lohnbuchhaltung eine zu geringe Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angegeben und damit einen geringeren Sachbezug für sein Dienst – Auto vorgetäuscht, wodurch die Gesellschaft zu wenig Lohnsteuer einbehielt und abführte. Das Gericht stellte insoweit nicht nur darauf ab, dass der Geschäftsführer sich einen eigenen Vorteil verschaffte wegen des geringeren Lohnsteuerabzuges, sondern betonte, dass er die steuerlichen Belange der GmbH nicht ordnungsgemäß wahrgenommen habe. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass auch Steuerhinterziehung ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann.

Geschäftsführer einer GmbH sollten also wissen, dass sie bei Steuerhinterziehung, sogar zugunsten der Gesellschaft ihre Stelle verlieren können. Umso wichtiger ist es, schon gegen entsprechende Vorwürfe sich wirksam zu verteidigen.

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Polizist, Steuerhinterziehung und Dienstentlassung

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen hat die Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Polizeibeamten nach einer Steuerhinterziehung bestätigt (Urteil vom 18. September 2019 – 3d A 86/18.O –).

Der Beamte hatte Einrichtungen, Personal und Material seiner Behörde für eine Nebentätigkeit genutzt und Steuern aus seiner Nebentätigkeit in Höhe von insgesamt etwa 108.000 € hinterzogen. Vor allem die Höhe der hinterzogenen Steuer hat dem Beamten hier geschadet. Außerdem hatte er Einkünfte nicht nur verschwiegen, sondern falsche Angaben gemacht, um Werbungskosten vorzutäuschen. Schließlich nahm er dienstliche Mittel in Anspruch für seine Nebentätigkeit, was einen dienstlichen Bezug herstellte. Demgegenüber nutze dem Beamten nicht, dass er im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit der Finanzbehörde kooperierte, bis dahin nicht vorbestraft war und die Steuer nachzahlte.

Wichtig für die Praxis bleibt jedoch folgende Aussage des Gerichts:

„Für die Auswahl der Disziplinarmaßnahme kommt es bei außerdienstlich begangenen Steuerhinterziehungen ohne dienstlichen Bezug wegen der großen Variationsbreite der möglichen Verfehlungen, insbesondere wegen der sehr unterschiedlichen Hinterziehungsbeträge, auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an.“ 

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Kronzeugenregelung auch nach Entdeckung der Tat

Das Gericht kann eine Strafe mildern oder sogar davon absehen, wenn der Täter einer Straftat eine im Zusammenhang mit seiner Tat stehende Straftat aufdeckt (vgl. i.e. § 46 b StGB). Der Bundesgerichtshof stellt in einer Entscheidung vom 26.04.2019 – 1 STR 471/18 – heraus, dass auch nach Entdeckung der Tat ein ausreichender Aufklärungserfolg eintreten kann, und zwar wenn die Aussage des Täters jedenfalls „eine sichere Grundlage für die Aburteilung der Taten schafft.“ Das eröffnet Verteidigungsmöglichkeiten, ohne dass der Angeklagte „als Verräter“ dastehen muss!

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Die „formlose“ Vermögensabschöpfung

Wir lesen derzeit viel über das neue verschärfte Recht der Einziehung im Strafverfahren, mit dem Erlöse aus Straftaten abgeschöpft werden. Daneben gibt es in der Praxis, obwohl im Gesetz nicht geregelt, den Verzicht des Angeklagten auf die Herausgabe von Taterlösen. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 20.03.2019 – 3 STR 67/19 – sich dahin geäußert, dass ein solcher Verzicht auch neben einer gesetzlichen Einziehung möglich ist, jedenfalls bei Bargelderlösen aus Rauschgiftgeschäften. Damit erhalte der Angeklagte die Möglichkeit, sich glaubhaft von einer Straftat zu distanzieren, was sich strafmildernd auswirken könne.

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Berechnungsgrundlagen beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Das OLG Braunschweig hat in einem Beschluss vom 06.04.2019-1 Ss 5/19- die Rechtsprechung bestätigt, dass ein Strafgericht, wenn es wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt verurteilt, die Berechnungsgrundlagen der hinterzogenen Beiträge mitteilen muss. Dazu gehören insbesondere die zu zahlende Vergütung der jeweiligen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die Beitragssätze der einzelnen Krankenkassen. Dagegen wird von Untergerichten in der Praxis nicht selten verstoßen!

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Hilfe für Opfer von Hate Speech im Internet

Hate Speech in sozialen Medien ist leider üblich geworden. Dabei wird nicht selten die Grenze zu Straftaten überschritten. Wer Opfer solchen Verhaltens, insbesondere von Beleidigungen ist, kennt in aller Regel nicht den Klarnamen des Täters. Eine Privatperson hat in diesen Fällen jedoch einen Anspruch auf Mitteilung von Bestandsdaten gegen den Plattformbetreiber gemäß §§ 14 Abs. 3 TMG i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG. Die Vorschriften lauten:

„Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist.“

„Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.“

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Das ES 8.0 als Blackbox

Das ES 8.0 ist ein in der Praxis weit verbreitetes Gerät zur Messung von Geschwindigkeiten von Fahrzeugen im Straßenverkehr. Das OLG Oldenburg hat mit Beschluss vom 09.09.2019- 2 Ss (Owi) 233/19 – entschieden, dass Messungen mit dem Gerät ES 8.0 auch dann verwertet werden können, wenn die sog. Rohmessdaten, die zum Messergebnis führen, nicht gespeichert wurden. Das Gerät wird somit zu einer „Black Box“, von dem das Messergebnis nicht überprüft, sondern schlicht hinzunehmen ist. Diese Entscheidung ist umstritten und wird von anderen Gerichten nicht geteilt (siehe etwa Verfassungsgerichtshof Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17 -; Verstoß gegen faires Verfahren und das Grundrecht auf wirksame Verteidigung). Einem Betroffenen ist zu empfehlen, sich sachkundig zu machen, welche Auffassung das jeweils für ihn zuständige Oberlandesgericht vertritt.

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Verbandssanktion – Fortsetzung

Das Justizministerium hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten vorgelegt. In diesem Blog war bereits darüber berichtet worden, dass Aktivitäten des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Verbänden demnächst anstehen. Der Entwurf markiert einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung auf ein neues Gesetz. Der Entwurf sieht vor, dass Unternehmen für vorsätzliche Verbandsstraftaten mit einer Sanktion von bis zu 10 % des Jahresumsatzes haften können. Der Sanktionsrahmen verschiebt sich allerdings nach unten, wenn das Unternehmen eine verbandsinterne Untersuchung durchführt, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da im Vergleich zum bisherigen Recht wesentlich höhere Sanktionen drohen, werden Compliance-Systeme in Unternehmen weiterhin an Bedeutung gewinnen. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass noch in dieser Legislaturperiode dem Referentenentwurf ein Gesetz folgt.

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Der Schnellstart an der Ampel und das verbotene Kraftfahrzeugrennen

Ab 13.10.2017 ist § 315 d StGB gültig, der verbotene Kraftfahrzeugrennen unter Strafe stellt. Aber: Nicht immer sind an einer Raserei im Straßenverkehr mindestens zwei Fahrer beteiligt. Daher sieht § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB für das Einzelrasen vor:

„Wer im Straßenverkehr sich als Fahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freistrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Derzeit kommen die ersten Fälle zu Gericht, in denen es um Schnellstarts an einer Ampel von einzelnen Fahrern geht. Das AG Düsseldorf sprach mit Urteil vom 27.03.2019 – 127 CS – 30 Js 592/18 – 812/18 – frei, weil es ein grob verkehrswidriges Verhalten des Angeklagten nicht habe feststellen können. Ein solches Verhalten dürfe nicht aus der bloßen Geschwindigkeit des Fahrzeuges gefolgert werden. Diese Rechtsauffassung ist allerdings umstritten. Wir müssen insoweit Entscheidungen höherer Gerichte abwarten

Unabhängig davon hätte das Gericht nachweisen müssen, dass der Schnellstart erfolgte, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.“ Dieses Merkmal wird häufig große Probleme im Nachweis bereiten. Wer sich klug verteidigt, dürfte andere Gründe (er-)finden, warum er so schnell unterwegs war.

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