Das Gericht kann eine Strafe mildern oder sogar davon absehen, wenn der Täter einer Straftat eine im Zusammenhang mit seiner Tat stehende Straftat aufdeckt (vgl. i.e. § 46 b StGB). Der Bundesgerichtshof stellt in einer Entscheidung vom 26.04.2019 – 1 STR 471/18 – heraus, dass auch nach Entdeckung der Tat ein ausreichender Aufklärungserfolg eintreten kann, und zwar wenn die Aussage des Täters jedenfalls „eine sichere Grundlage für die Aburteilung der Taten schafft.“ Das eröffnet Verteidigungsmöglichkeiten, ohne dass der Angeklagte „als Verräter“ dastehen muss!
Die „formlose“ Vermögensabschöpfung
Wir lesen derzeit viel über das neue verschärfte Recht der Einziehung im Strafverfahren, mit dem Erlöse aus Straftaten abgeschöpft werden. Daneben gibt es in der Praxis, obwohl im Gesetz nicht geregelt, den Verzicht des Angeklagten auf die Herausgabe von Taterlösen. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 20.03.2019 – 3 STR 67/19 – sich dahin geäußert, dass ein solcher Verzicht auch neben einer gesetzlichen Einziehung möglich ist, jedenfalls bei Bargelderlösen aus Rauschgiftgeschäften. Damit erhalte der Angeklagte die Möglichkeit, sich glaubhaft von einer Straftat zu distanzieren, was sich strafmildernd auswirken könne.
Berechnungsgrundlagen beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Das OLG Braunschweig hat in einem Beschluss vom 06.04.2019-1 Ss 5/19- die Rechtsprechung bestätigt, dass ein Strafgericht, wenn es wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt verurteilt, die Berechnungsgrundlagen der hinterzogenen Beiträge mitteilen muss. Dazu gehören insbesondere die zu zahlende Vergütung der jeweiligen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die Beitragssätze der einzelnen Krankenkassen. Dagegen wird von Untergerichten in der Praxis nicht selten verstoßen!
Hilfe für Opfer von Hate Speech im Internet
Hate Speech in sozialen Medien ist leider üblich geworden. Dabei wird nicht selten die Grenze zu Straftaten überschritten. Wer Opfer solchen Verhaltens, insbesondere von Beleidigungen ist, kennt in aller Regel nicht den Klarnamen des Täters. Eine Privatperson hat in diesen Fällen jedoch einen Anspruch auf Mitteilung von Bestandsdaten gegen den Plattformbetreiber gemäß §§ 14 Abs. 3 TMG i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG. Die Vorschriften lauten:
„Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist.“
„Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.“
Das ES 8.0 als Blackbox
Das ES 8.0 ist ein in der Praxis weit verbreitetes Gerät zur Messung von Geschwindigkeiten von Fahrzeugen im Straßenverkehr. Das OLG Oldenburg hat mit Beschluss vom 09.09.2019- 2 Ss (Owi) 233/19 – entschieden, dass Messungen mit dem Gerät ES 8.0 auch dann verwertet werden können, wenn die sog. Rohmessdaten, die zum Messergebnis führen, nicht gespeichert wurden. Das Gerät wird somit zu einer „Black Box“, von dem das Messergebnis nicht überprüft, sondern schlicht hinzunehmen ist. Diese Entscheidung ist umstritten und wird von anderen Gerichten nicht geteilt (siehe etwa Verfassungsgerichtshof Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17 -; Verstoß gegen faires Verfahren und das Grundrecht auf wirksame Verteidigung). Einem Betroffenen ist zu empfehlen, sich sachkundig zu machen, welche Auffassung das jeweils für ihn zuständige Oberlandesgericht vertritt.
Verbandssanktion – Fortsetzung
Das Justizministerium hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten vorgelegt. In diesem Blog war bereits darüber berichtet worden, dass Aktivitäten des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Verbänden demnächst anstehen. Der Entwurf markiert einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung auf ein neues Gesetz. Der Entwurf sieht vor, dass Unternehmen für vorsätzliche Verbandsstraftaten mit einer Sanktion von bis zu 10 % des Jahresumsatzes haften können. Der Sanktionsrahmen verschiebt sich allerdings nach unten, wenn das Unternehmen eine verbandsinterne Untersuchung durchführt, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da im Vergleich zum bisherigen Recht wesentlich höhere Sanktionen drohen, werden Compliance-Systeme in Unternehmen weiterhin an Bedeutung gewinnen. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass noch in dieser Legislaturperiode dem Referentenentwurf ein Gesetz folgt.
Der Schnellstart an der Ampel und das verbotene Kraftfahrzeugrennen
Ab 13.10.2017 ist § 315 d StGB gültig, der verbotene Kraftfahrzeugrennen unter Strafe stellt. Aber: Nicht immer sind an einer Raserei im Straßenverkehr mindestens zwei Fahrer beteiligt. Daher sieht § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB für das Einzelrasen vor:
„Wer im Straßenverkehr sich als Fahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freistrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Derzeit kommen die ersten Fälle zu Gericht, in denen es um Schnellstarts an einer Ampel von einzelnen Fahrern geht. Das AG Düsseldorf sprach mit Urteil vom 27.03.2019 – 127 CS – 30 Js 592/18 – 812/18 – frei, weil es ein grob verkehrswidriges Verhalten des Angeklagten nicht habe feststellen können. Ein solches Verhalten dürfe nicht aus der bloßen Geschwindigkeit des Fahrzeuges gefolgert werden. Diese Rechtsauffassung ist allerdings umstritten. Wir müssen insoweit Entscheidungen höherer Gerichte abwarten
Unabhängig davon hätte das Gericht nachweisen müssen, dass der Schnellstart erfolgte, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.“ Dieses Merkmal wird häufig große Probleme im Nachweis bereiten. Wer sich klug verteidigt, dürfte andere Gründe (er-)finden, warum er so schnell unterwegs war.
Das Handy, der Taschenrechner und § 23 Abs. 1a StVO
Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass Messfotos von Geschwindigkeitskontrollgeräten zeigen, dass der Fahrzeugführer nicht nur zu schnell fuhr, sondern dabei auch ein Handy in den Händen hielt. Nach § 23 Absatz 1a StVO darf beim Führen eines Fahrzeuges ein „elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient“, nicht gehalten werden. Die Vorschrift wurde im Jahre 2017 verschärft, weil sich die Betroffenen bis dahin sehr fantasievoll eingelassen hatten zu der Frage, was von außen einem Handy ähnelt, aber keines ist. Die Formulierung im verschärften Gesetz „elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist“, scheint so umfassend, dass kaum noch Raum für vermeintliche Ausreden bleibt. Weit gefehlt! Beim Bundesgerichtshof liegt derzeit ein Fall, in dem der Fahrer behauptet, einen Taschenrechner gehalten zu haben.
Das OLG Braunschweig hatte mit Beschluss vom 03.07.2019 – 1 Ss (UW) 87/19 – mit einem Fall zu tun, in dem der Fahrer behauptete, einen Taschenrechner mit Speicherfunktion benutzt zu haben. Das OLG hielt die Verurteilung durch das Amtsgericht aufrecht und wartete nicht die Entscheidung des BGH ab, weil der Taschenrechner eine Speicherfunktion hatte. Im Fall des BGH sind zur Speicherfunktion des Taschenrechners keine Feststellungen getroffen, sodass wir auf die Entscheidung gespannt sein können, auch wenn es Taschenrechner ohne Speicherfunktion in der Praxis kaum noch geben dürfte.