Vernehmungstaktik des Strafverteidigers

Ein Richter sollte im Idealfall bei der Befragung von Zeugen das Ziel haben, die Wahrheit zu ermitteln. Der Strafverteidiger hat das Interesse, für seinen Mandanten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Diese Interessen sind zuweilen nicht in Deckung zu bringen. Das erfordert von einem guten Strafverteidiger, dass er ggf. den Prinzipien der Vernehmungslehre zuwiderhandeln muss. So gilt es etwa in der Vernehmungslehre als Fehler, einen Zeugen zu unterbrechen oder ihn suggestiv zu befragen. Zeugen geschickt zu unterbrechen und durch Fragen zu führen gehört jedoch zu den höchsten Künsten der Verteidigung. Wer das nicht wahrhaben will, darf diesen Beruf keinesfalls ergreifen.

Verbandssanktion

Die Sanktionierung von Verbänden ist im deutschen Recht nur unzureichend geregelt. Das was im Ausland, insbesondere in den USA und auf europäischer Ebene, bereits Gang und gebe ist, und zwar die Sanktionierung von Verbänden, ist auf nationaler Ebene noch eher die Ausnahme. Zwar sieht auch das deutsche Recht in § 30 OWiG die Möglichkeit vor, Verbände zu sanktionieren, wenn Personen für ein Unternehmen handeln und dabei Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen. Diese Möglichkeit wird oftmals jedoch nur unzureichend genutzt. Es gibt Staatsanwaltschaften, die diese Vorschrift grundsätzlich nicht anwenden, was auch legal ist, weil die Verfolgung des Verbandes in ihrem Ermessen liegt (vgl. § 47 OWiG). Das wird als ungerecht empfunden, denn dadurch hängt eine Verbandssanktion oft nur davon ab, wo das betroffene Unternehmen seinen Sitz hat. Empirisch ist festgestellt worden, dass § 30 OWiG von den Verfolgungsbehörden deutschlandweit sehr viel seltener angewendet wird als er angewendet werden könnte. Als unzureichend wird auch empfunden, dass die Unternehmensbußen bis zu einer Höhe von 10 Million € begrenzt sind.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hatte im Jahr 2013 den Entwurf eines Verbandsstrafgesetzbuches vorgelegt, der zwar eine rege wissenschaftliche Debatte auslöste, aber politisch versandete, wobei erfolgreiche Lobbyarbeit eine Rolle gespielt haben dürfte. Ein vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erarbeiteter Gesetzesentwurf wurde von der Bundestagswahl 2017 gleichsam ausgebremst. Nunmehr hat eine Forschungsgruppe der Universität Köln im Jahr 2017 den Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes vorgelegt.

Der Kölner Entwurf sieht insbesondere eine Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft vor (§ 13). Interessant ist auch, dass Vertreter des Verbandes ein Schweigerecht haben (§ 17 Abs. 1) und interne Untersuchungen des Verbandes verschwiegen werden dürfen (§ 18).

Der Entwurf wird so sicher nicht Gesetz werden, aber wesentliche Grundlage für weitere Beratungen auf politischer Ebene sein. Über kurz oder lang wird an einem neuen Verbandssanktionenrecht wohl kein Weg vorbei führen.

Umsatzsteuer und Verjährung im Strafrecht

Wer sich gegen einen Vorwurf aus dem Steuerstrafrecht verteidigen will, kommt leider ohne Kenntnisse aus dem Steuerrecht nicht aus. Das zeigt etwa sehr anschaulich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2017 – 1 StR 279/17-, in der es darum ging, wann eine Umsatzsteuerhinterziehung strafrechtlich verjährt.

Die Verjährung im Strafrecht tritt mit der Beendigung der Straftat ein (§ 78 a S. 1 StGB). Bei Veranlagungssteuern wird die Beendigung der Tat üblicherweise angenommen, wenn der unrichtige Steuerbescheid bekannt gegeben worden ist. Im Fall des BGH hatte der Täter eine falsche Umsatzsteuerjahreserklärung abgegeben. Weil diese Erklärung gemäß § 168 S. 1 AO als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galt, begann die strafrechtliche Verjährungsfrist bereits mit Abgabe der unrichtigen Erklärung zu laufen. Das rettete den Angeklagten, denn seine Umsatzsteuerhinterziehung war damit verjährt. Er konnte insoweit nicht mehr bestraft werden.

Wenn das Finanzamt der Umsatzsteuerjahreserklärung jedoch nicht gefolgt wäre und einen eigenständigen Umsatzsteuerbescheid erlassen hätte oder aber gemäß § 168 S. 2 AO der Erklärung noch hätte zustimmen müssen, hätten sich andere Fristenläufe ergeben. Wir sehen sehr schön, dass ohne das Steuerrecht die rein strafrechtliche Frage nach der Verjährung einer Straftat in diesem Fall nicht zu lösen ist.

Befragungsreihenfolge im Strafprozess

Wenn es um die Reihenfolge der Befragung von Zeugen in einem Strafprozess geht, stellt sich die Frage in welcher Reihenfolge die Zeugen vernommen werden sollen. Im Gerichtsalltag der Strafgerichte ist es oft so, dass das Gericht die Reihenfolge, in der die Zeugen in der Anklageschrift aufgeführt sind, übernimmt. Die Staatsanwaltschaft schreibt jedoch regelmäßig ihre Hauptbelastungszeugen an die ersten Stellen in der Anklage. Entlastungszeugen tauchen oft noch nicht einmal in der Anklage auf.

Es ist zwar Sache des Vorsitzenden Richters über die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen zu bestimmen (vgl. § 238 Abs. 1 StPO), aber eine kluge Verteidigung versucht in geeigneten Fällen auf die Reihenfolge der Befragung Einfluss zu nehmen. Insbesondere muss immer kritisch hinterfragt werden, ob die aus der Anklageschrift hervorgehende Reihenfolge der Zeugen bei der Befragung übernommen werden muss. So kann es Fälle geben, in denen es sinnvoll ist, zunächst einmal einen Entlastungszeugen zu hören, etwa um dem Belastungszeugen eine Falschaussage zu ersparen!

Das Thema hat noch einen zweiten Aspekt: In welcher Reihenfolge dürfen die Verfahrensbeteiligten einen Zeugen befragen? Einigkeit besteht nur, dass der Vorsitzende Richter kraft seiner Befugnis, die Verhandlung zu leiten mit der Befragung beginnt. Beim Fragerecht der anderen Verfahrensbeteiligten bestimmt das Gesetz jedoch keine Reihenfolge (siehe § 240 StGB). Dennoch fragt in deutschen Strafgerichten in aller Regel die Verteidigung erst nach der Staatsanwaltschaft. Das muss nicht so sein. Wer zuerst fragen darf, hat einen Vorsprung, denn er kann – wie es Verteidiger so schön sagen – die „Wiese abmähen.“ Wenn die Verteidigung zuletzt den Zeugen befragen darf, weiß der Zeuge oft schon nicht mehr, was er überhaupt noch antworten soll, nachdem er von Gericht und Staatsanwaltschaft bereits umfassend befragt worden ist.

Vor allem, wenn die Verteidigung meint, den Zeugen lenken zu müssen, wird zu überlegen sein, ob sie beantragt, ihn vor der Staatsanwaltschaft befragen zu dürfen.

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Compliance und Unternehmensbuße

Wenn aus Unternehmen heraus Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden, kann auch gegen das Unternehmen eine Geldbuße festgesetzt werden (vgl. § 30 OWiG).

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16 – entschieden, dass sich zugunsten des Unternehmens bei der Bemessung einer Geldbuße auswirken kann, dass es sog. Compliance – Maßnahmen ergriffen hatte oder sogar erst nach der Tat installiert. Sog. Compliance – Management – Systeme dienen dazu, Rechtsverstöße aus einem Unternehmen heraus zu vermeiden.

Diese Entscheidung wurde von Rechtsanwälten geradezu bejubelt, denn die Entscheidung ist bestes Werbemittel für die Einführung von Compliance Management Systemen in Unternehmen. Solche Systeme sind kostspielig!

Leider hat der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass das Gesetz vorsieht, dass eine Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, der aus einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat gezogen wurde, übersteigen soll (§ 17 Abs. 4 S. 1 OWiG). Diese Regelung ist sehr gefährlich und hat schon so manches Unternehmen in die Gefahr der Insolvenz gebracht aus Anlass von Unternehmensbußen.

Vernehmungstaktik von Strafrichtern

Der Titel dieses Posts wird so manchen Richter provozieren. Sie werden entgegnen, dass sie keine Vernehmungstaktik, sondern eine Vernehmungstechnik anwenden, die darauf ausgerichtet ist, die Wahrheit zu ergründen. Nur darum gehe es ihnen.
So einfach ist es jedoch nicht, was die Praxis zeigt. Richter müssen ihre Fälle erledigen und neigen daher dazu, die ihnen vorgelegten Anklagen in Vernehmungen Punkt für Punkt abzuarbeiten. Wenn also beispielsweise ein Diebstahl angeklagt ist, wird der Richter wissen wollen, ob eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht durch den Angeklagten weggenommen worden ist. Darauf verdichten sich meist auch die Fragen der Richter. Insoweit ersteht auch – meist unbewusst – eine Erwartungshaltung. In diese Erwartungshaltung gehört nicht (!), dass es möglicherweise auch ganz anders gewesen ist als in der Anklage aufgeführt.
Das kann gewaltige Auswirkungen in einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung haben, etwa wenn ein Richter einen Angeklagten oder Zeugen unterbricht, obwohl der Vernommene Entlastendes berichten will.
Ein guter Verteidiger wird daher darauf achten, dass der Richter bei seiner Vernehmung den Angeklagten und Entlastungszeugen ausreden lässt, insbesondere sind Unterbrechungen des Richters durch leitende Fragen zu verhindern, die vom entlastenden Sachverhalt wegführen und zum Sachverhalt der Anklage hinführen.
Die Strafprozessordnung sieht ausdrücklich vor, dass Zeugen sogar das Recht haben, im Zusammenhang vortragen zu dürfen. Erst danach können Fragen gestellt werden (§ 69 StPO).

Finanzbeamter und Steuerhinterziehung = Entfernung aus dem Dienstverhältnis

Der Vorsteher eines Finanzamtes hatte Steuern verkürzt wegen unzutreffender Angaben über das Zusammenleben mit seiner damaligen Ehefrau, was ihm die günstigere Veranlagungsart „Zusammenveranlagung“ verschaffte. Er war von den Strafgerichten zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hat das ausreichen lassen, um ihm im Disziplinarverfahren aus dem Dienstverhältnis zu entfernen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Beschluss vom 27.12.2017 – 2 B 18/17 – sogar erklärt, dass die Höhe der verkürzten Steuer für die Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens unerheblich sei.

Das Gericht wies weiterhin darauf hin, dass im Disziplinarverfahren grundsätzlich eine Bindungswirkung an die Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren besteht (§ 57 BDG).

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass Beamte im Strafverfahren um den Sachverhalt kämpfen müssen. Das Disziplinargericht wird im anschließen Disziplinarverfahren einen anderen Sachverhalt grundsätzlich nicht mehr berücksichtigen.

Kryptowährungen und Steuerhinterziehung

Die Behandlung von Kryptowährungen im Einkommensteuerrecht ist noch nicht abschließend geklärt. Die überwiegende Ansicht in der steuerlichen Literatur ist der Auffassung, dass der Verkauf von Kryptowährungen, die eine natürliche Person in ihrem Privatvermögen gehalten hat, zu sog. sonstigen Einkünften im Sinne von § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 EStG führt. Dabei anfallende Veräußerungsgewinne sind also steuerpflichtig, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr liegt.

Wer also Veräußerungsgewinne, die aus Spekulationsgeschäften innerhalb eines Jahres mit solchen Währungen stammen, in der entsprechenden Steuererklärung nicht angibt, muss damit rechnen wegen Steuerhinterziehung verfolgt zu werden.

Der steuerliche Berater wird seinem Mandanten gegebenenfalls zu einer Selbstanzeige nach § 371 AO raten müssen.

Mitteilungspflichten bei Auslandsbeteiligungen

Das sog. Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.06.2017 hat insbesondere die bisherigen Anzeige- und Mitteilungspflichten von inländischen Steuerpflichtigen mit qualifizierten Auslandsbeteiligungen erweitert (im Einzelnen § 138 Abs. 2 AO). Darüber hinaus wurden flankierend Mitteilungspflichten für inländische Finanzdienstleister eingeführt, soweit sie entsprechende Geschäftsbeziehung des Steuerpflichtigen unterstützen (§ 138 b AO). Damit sind insbesondere auch Banken gemeint.

Wer zumindest in Höhe von 10 % am Vermögen einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder wenn die Anschaffungskosten der Beteiligung 150.000 € übersteigen, muss diese Beteiligung dem für ihn zuständigen Finanzamt mitteilen. Unmittelbare und mittelbare Beteiligungen sind dabei zusammenzurechnen.

Der Verstoß gegen die bloße Mitteilungspflicht unabhängig davon, ob damit eine Steuerhinterziehung oder Steuerverfehlung in Zusammenhang steht, kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden.

Zu den vorgenannten Vorschriften hat der BMF mittlerweile auch ein Schreiben vom 05.02.2018 erstellt, mit dem die neuen Regelungen näher erläutert werden (IV B 5-S 1300/07/10087 – IV A 3-S 0303/17/10001,2018/0071347).

Anlass der Gesetzesverschärfung waren die so genannten Panama Papers, mit denen Journalisten im Frühjahr 2016 die Diskussion über Steuerumgehung mit Briefkastengesellschaften in Steuerparadiesen anstießen.

Gebührenunterschreitung und Bestechlichkeit bei Notaren

Ein Notar ist Amtsträger. Er kann daher bestochen werden bzw. sich der Bestechlichkeit schuldig machen (vgl. §§ 332 und 334 StGB). Der Bundesgerichtshof hatte am 22.03.2018 – 5 StR 566/17 – über einen Notar zu urteilen, der mit einem Immobilienkaufmann vereinbart haben sollte, dass er ihn bevorzugt mit Beurkundungen beauftragen werde, wenn er unterhalb der gesetzlichen Gebühren abrechne. Klar ist, dass eine solche Vereinbarung gegen die Bundesnotarordnung verstößt (siehe § 17 Abs. S. 1 BNotO). Für den Bundesgerichtshof erfüllt eine solche Vereinbarung jedoch überdies die Straftatbestände der Bestechung bzw. Bestechlichkeit. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass nicht nur die Beurkundung, sondern auch die Erhebung der gesetzlichen Gebühren eine Diensthandlung sei. Das Gericht gibt weiter an, dass dem Notar mit einer solchen Vereinbarung auch ein Vorteil versprochen werde, obwohl der Notar zu geringeren (!) Gebühren abrechnet. Ein zugewendeter Vorteil im Sinne der Bestechungsdelikte könne auch die Erteilung eines Beurkundungsauftrages sein und die Vereinbarung werde getroffen, um künftige Beurkundungsaufträge zu erlangen, die ohne die Gebührenunterschreitung am Notar vorbeigingen.