Steuerrecht ist heute in weiten Teilen umgesetztes Recht der Europäischen Union. Daher sind auch immer wieder Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (kurz: EuGH) für das Steuerrecht von Interesse. Sie wirken sich unmittelbar in die Anwendung von Steuerrecht auf nationaler Ebene aus.
In einem Urteil vom 26.02.2019 – C – 115/16 – hatte sich der EuGH mit so genannten Durchleitungsgesellschaften zu befassen. Das sind Gesellschaften, die letztlich nur deshalb gegründet worden sind, um Einkünfte auf Niedrigsteuerländer umzuleiten. Diese Einkünfte werden sodann gleichsam hinterrücks wieder zurück in die Hochsteuerländer zurückgeleitet. Diese Umwege halten sich formal an das Recht und werden aus rein steuerlichen (Spar-) Gründen gemacht.
Der EuGH betont zunächst, dass es einen allgemeinen Grundsatz im Unionsrecht gibt, wonach eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist und die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen kann, dass die missbräuchlichen Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern gedeckt werden.
Sodann führt das Gericht aus, dass „der Grundsatz des Missbrauchsverbots in Steuersachen Anwendung findet, wenn die Erlangung eines Steuervorteils Hauptzweck der betreffenden Transaktionen ist.“
Diese Aussage des Gerichts ist strenger als das, was der Bundesfinanzhof vergleichbar zu der Frage unzulässigen steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) judiziert. Danach genügt es schon, um dem Vorwurf steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs zu entgehen, beachtliche weitere Gründe für die Gestaltung anzuführen. Für den EuGH kommt es offenbar auf solche weiteren Gründe nicht an, solange die Erlangung eines Steuervorteils Hauptzweck der Gestaltung ist.
Der EuGH weiter:
„Ein Konzern, der nicht aus Gründen geschaffen wird, die durch die wirtschaftliche Realität bedingt sind, der eine Pro-forma-Struktur hat und dessen Hauptzweck oder einer seiner Hauptzwecke die Erlangung eines Steuervorteils ist, der dem Ziel oder Zweck der anwendbaren Steuervorschriften zuwiderläuft, kann als künstliches Gebilde angesehen werden.“
Damit dürfte sich eine Vielzahl von weltweit agierenden prominenten Konzernen angesprochen fühlen. Ob der politische Wille besteht, die Rechtsprechung des EuGH konsequent in den kommenden Jahren umzusetzen, wird die Zeit zeigen.