Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 8. Juni 2022 – 5 StR 406/21 –) hatte über einen Fall zu entscheiden, indem dem Opfer vorgespiegelt worden war, man werde es auf eine Reise nach Polen begleiten. Tatsächlich reisten die Täter mit dem Opfer jedoch nach Georgien, zunächst mit dem Auto später mit dem Flugzeug. Erst als das Opfer in Georgien aus dem Flugzeug stieg, merkte es, dass es nicht in Polen gelandet war. Die Täter waren stets gewillt, das Opfer an der Flucht zu hindern, wenn es auf der Reise bemerkt hätte, dass ihm ein falsches Reiseziel vorgespiegelt wurde. Es ging um die „Heimführung“ einer jungen Frau, die sich nach den Vorstellungen ihrer Familie in Deutschland nicht den Traditionen der eigenen Kultur gebeugt hatte.
Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass der Freiheit auch ein Opfer beraubt werden kann, dass davon überhaupt nichts mitbekommt. Der etwas kompliziert formulierte Leitsatz lautet wie folgt:
„…ein im natürlichen Sinn zur Änderung seines Aufenthaltsorts fähiger Mensch nur dann nicht seiner Freiheit im Sinne des § 239 StGB beraubt wird, wenn er (auch) damit einverstanden ist, dass er sich selbst dann nicht fortbewegen könnte, wenn er das wollte. Ist ihm dies hingegen – etwa wie hier aufgrund von List und Täuschung des seine Bewegungsfreiheit aufhebenden Täters – nicht bewusst, ist es ohne Belang, dass er sich aktuell gar nicht fortbewegen will.“