Wer eine Straftat während einer laufenden Bewährungszeit begeht, muss davon ausgehen, dass bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe wegen der neuen Tat keine nochmalige Aussetzung zur Bewährung erfolgen wird. In Ausnahmefällen kann jedoch eine zweite Bewährung in Betracht kommen. Hierfür braucht es außergewöhnliche Umstände, die trotz des Bewährungsversagens in der Vergangenheit eine künftige Straffreiheit erwarten lassen. Vor allem muss überzeugend dargelegt werden, was sich an den Lebensverhältnissen des Angeklagten geändert hat im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei der ersten Bewährungsaussetzung geherrscht haben. Diese veränderten Verhältnisse müssen die Prognose tragen, dass es zu einem neuerlichen Bewährungsversagen nicht kommen wird. Schlichte Angaben des Angeklagten zu den angeblich veränderten Verhältnissen reichen jedoch nicht. Vielmehr müssen der Bewährungshelfer oder glaubhafte Zeugen die Angaben bestätigen, so das OLG München in einem Urteil vom 27.07.2020 – 203 STRR 210/20-.
Akteneinsicht bei Nebenklage
Der Vertreter der Nebenklage hat ein Recht, die Strafakten einzusehen (vergleiche § 406 e Abs. 1 StPO. Die Akteneinsicht ist jedoch u. a. zu versagen, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten entgegenstehen (§ 406 e Abs. 2 S. 1 StPO). Sie kann versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint (§ 406 e Abs. 2 S. 2 StPO).
In sog. Aussage-gegen-Aussage Konstellationen hat der Angeklagte ein Interesse daran, dass der Nebenklagevertreter seinen Mandanten nicht auf seine Aussage bei Gericht präparieren kann, indem er ihm den Inhalt früherer, z. B. polizeilicher Vernehmungen zur Kenntnis bringt. Gerade erhebliche Widersprüche zwischen früheren Zeugenaussagen und der Aussage bei Gericht, können die Glaubwürdigkeit des Zeugen erschüttern.
Zwischen den beiden gegensätzlichen Positionen Akteneinsicht ist zu gewähren oder Akteneinsicht ist nicht zu gewähren scheint sich in der Praxis ein merkwürdiger Kompromiss durchzusetzen.
Akteneinsicht wird dem Nebenklagevertreter gewährt, wenn er dem Gericht versichert, dass er seinem Mandanten keine Akteninhalte zur Kenntnis gibt (so nun auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2020 – 1 Ws 81/20 -). Damit kann letztlich keine Seite zufrieden sein. Der Nebenklagevertreter ist als Rechtsanwalt im Mandatsverhältnis verpflichtet, seinen Mandanten über den Akteninhalt zu informieren und der Beschuldigte wird nie sicher sein können, ob sich der Nebenklagevertreter an seine Zusicherung halten wird.
Es wird den Angeklagten bzw. den Verteidigern empfohlen, den Nebenkläger bei seiner gerichtlichen Zeugenaussage danach zu fragen, ob sich sein Rechtsanwalt an eine etwaige Zusicherung gehalten hat, keine Kenntnis von den Akten zu vermitteln.
Die Blutgrätsche als gefährliche Körperverletzung
In einem Fußballspiel der Kreisklasse war ein Spieler seinem Gegner von hinten mit ausgestrecktem Bein und offener Sohle in das Wadenbein gesprungen, wodurch Waden- und Schienbein durchbrachen. Das LG Hannover hat mit Urteil vom 28.11.2019 – 36 Ns 2864 Js 17334/19 (97/19) – entschieden, dass dieses Foul als gefährliche Körperverletzung zu bestrafen sei. Fußball sei, so das Gericht, ein Kampfspiel. Die Mitspieler wüssten um die Härte des Spiels und seien damit einverstanden. Aber: die Einwilligung decke keine Körperverletzungshandlungen unter vorsätzlicher Missachtung der Spielregeln. Aufgrund der Art und Weise, wie das Foulspiel ausgeführt wurde, kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass der Foulspieler seinen Gegner vorsätzlich umtreten wollte. Das Landgericht ist, was bemerkenswert ist, nicht nur der Auffassung, dass eine Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB vorliegt, sondern darüber hinaus eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr 2 Alt. 2 StGB, denn bei einem Fußballschuh mit Kunststoffstollen, der bei einem solchen Foul benutzt werde, handele es sich um ein gefährliches Werkzeug.
Vertrauensschutz und innergemeinschaftliche Lieferung
Der Bundesfinanzhof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Käufer von Getränken dem Verkäufer vorgetäuscht hatte, sie werden ins Ausland geliefert. Tatsächlich waren die Getränke noch im Inland umgeleitet worden, was der Verkäufer, so behauptete er, nicht gewusst habe. Das Finanzamt hatte dem Verkäufer die Umsatzsteuerfreiheit dieser vorgetäuschten Ausfuhrlieferung versagt. Der Verkäufer berief sich auf Vertrauensschutz, da ihm eine Ausfuhrlieferung vom Käufer vorgetäuscht worden sei. Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6 a Abs. 4 UStG). Die USt – Idnr. des Käufers war bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung vom Bundeszentralamt für Steuern dem Verkäufer nach entsprechender Abfrage noch als gültig mitgeteilt worden. Kurz darauf wurde diese USt – Idnr. jedoch gelöscht. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Versagung der Steuerfreiheit unter Hinweis darauf, dass der Verkäufer zeitnah vor der ersten Lieferung und einige Wochen später im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung die Gültigkeit der USt – Idnr. nochmals hätte abfragen müssen, was hier nicht geschehen war.
Seit 01.01.2020 ist übrigens gemäß § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG die Gültigkeit der USt – Idnr. des Abnehmers im Zeitpunkt der Lieferung (!) Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer gemeinschaftlichen Lieferung.
Es ist den Steuerpflichtigen daher zu empfehlen, in entsprechenden Fällen zeitnah vor der ersten Lieferung und im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen regelmäßig wiederholend, die USt – Idnr. des Abnehmers beim Bundeszentralamt für Steuern abzurufen (vgl. zum Abruf: § 18 e UStG).