Suggerierte Aussagen

In Sexualstrafverfahren kann sich die Frage nach suggerierten Zeugenaussagen stellen. So kommen immer wieder Fälle vor, in denen Menschen behaupten, dass ihnen im Rahmen einer Psychoanalyse aufgedeckt worden sei, dass sie vor Jahren sexuell missbraucht worden seien. Die verdrängte Erinnerung sei vom Psychotherapeuten aufgedeckt worden. Es gibt auch nicht selten Fälle, in denen Eltern von einem sexuellen Missbrauch ihres Kindes fälschlich überzeugt sind und dem Kind den Missbrauch im Rahmen ihrer „Aufklärung“ des Sachverhaltes einreden („Hat der Onkel Paul  dich da unten angefasst?“). Berüchtigt sind auch Fälle, in denen Kindergärtner und Lehrer einen sexuellen Missbrauch ihren Kindern suggeriert haben.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 5. Juli 2022 – 4 StR 96/22 – betont, dass bei der Aussageanalyse einer möglicherweise suggerierten Aussage deren Entstehung und Entwicklung im Vordergrund stünden. Demgegenüber, so der Bundesgerichtshof, gebe es keine Belege, dass sich erlebnisbasierte und suggerierte Aussagen in ihrer Qualität unterschieden.

Diese Erkenntnis ist sehr wichtig. In der Praxis wird häufig der Fehler gemacht, dass eine möglicherweise suggerierte Aussage als glaubhaft beurteilt wird, weil sie sehr detailreich ist.

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Freiheitsberaubung eines arglosen Opfers?

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 8. Juni 2022 – 5 StR 406/21 –) hatte über einen Fall zu entscheiden, indem dem Opfer vorgespiegelt worden war, man werde es auf eine Reise nach Polen begleiten. Tatsächlich reisten die Täter mit dem Opfer jedoch nach Georgien, zunächst mit dem Auto später mit dem Flugzeug. Erst als das Opfer in Georgien aus dem Flugzeug stieg, merkte es, dass es nicht in Polen gelandet war. Die Täter waren stets gewillt, das Opfer an der Flucht zu hindern, wenn es auf der Reise bemerkt hätte, dass ihm ein falsches Reiseziel vorgespiegelt wurde. Es ging um die „Heimführung“ einer jungen Frau, die sich nach den Vorstellungen ihrer Familie in Deutschland nicht den Traditionen der eigenen Kultur gebeugt hatte.

Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass der Freiheit auch ein Opfer beraubt werden kann, dass davon überhaupt nichts mitbekommt. Der etwas kompliziert formulierte Leitsatz lautet wie folgt:

„…ein im natürlichen Sinn zur Änderung seines Aufenthaltsorts fähiger Mensch nur dann nicht seiner Freiheit im Sinne des § 239 StGB beraubt wird, wenn er (auch) damit einverstanden ist, dass er sich selbst dann nicht fortbewegen könnte, wenn er das wollte. Ist ihm dies hingegen – etwa wie hier aufgrund von List und Täuschung des seine Bewegungsfreiheit aufhebenden Täters – nicht bewusst, ist es ohne Belang, dass er sich aktuell gar nicht fortbewegen will.“

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Corona Hilfe und Steuergeheimnis

Der Gesetzgeber hat zum 21.12.2022 das Steuergeheimnis weiter aufgeweicht. Auf Ersuchen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden, dürfen die Finanzbehörden nunmehr dem Steuergeheimnis unterliegende Daten für die Durchführung eines Strafverfahrens weitergeben wegen einer zu Unrecht erlangten Leistung aus öffentlichen Mitteln. Damit sind nunmehr alle Fälle eines Subventionsbetruges im Zusammenhang mit der Erlangung von Corona – Beihilfen erfasst. Ob eine uneingeschränkte Befugnis zur Weitergabe von Daten in solchen Fällen seitens der Finanzbehörden besteht, war bis zur Gesetzesänderung umstritten.

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Bargeldverkehrsrechnung bei einer GmbH

Der Betriebsprüfer hatte bei einer GmbH die Kassenaufzeichnungen verworfen und daher die Bareinnahmen geschätzt. Hierzu stellte er eine Bargeldverkehrsrechnung auf, indem er die Barausgaben des Gesellschafter-Geschäftsführers den Barmitteln der GmbH gegenüber stellte. Hierbei stellte sich eine Unterdeckung heraus, woraus er folgerte, dass insoweit Bareinnahmen der GmbH verschwiegen worden waren, die er hinzuschätzte.

Das beanstandete das FG Münster in einem Urteil vom 10. Mai 2022 – 10 K 261/17-, denn die Überlegung des Betriebsprüfers berücksichtige nicht, dass es ebenso gut möglich sei, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften, also außerhalb der GmbH, erzielt habe.

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Bankkonten – Datenaustausch mit der Türkei

Die Türkei hat sich bereiterklärt zum 30.09.2021 am automatischen Datenaustausch hinsichtlich von Finanzkonten mit Deutschland teilzunehmen. Es werden zwar nur die Daten ab dem Steuerjahr 2019 übermittelt, jedoch müssen sich Betroffene darauf einrichten, dass deutsche Finanzämter nach der Herkunft von Vermögen fragen, um so auch die Versteuerung von Einkünften aus den Vorjahren sicher zu stellen. Weiterhin ist zu erwarten, dass deutsche Behörden prüfen, ob in den letzten Jahren von Betroffenen zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen oder bei Insolvenzen unzutreffende Angaben gemacht wurden.

Vermögensarrest unverhältnismäßig aus Zeitgründen

Das OLG Frankfurt hat in einer Entscheidung vom 15.02.2022 – 3 Ws 34/22 – einen Vermögensrest nach zwei Jahren und acht Monaten als unverhältnismäßig aufgehoben.

Zwar hat der Gesetzgeber frühere zeitliche Beschränkung eines Vermögensarrests im Strafverfahren aufgehoben, aber es gilt nach wie vor der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Im zu entscheidenden Fall war bedeutsam, dass es zu einem faktischen Verfahrensstillstand gekommen war, der zeitnah nicht behoben werden konnte.

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Lohnsteuerhaftung und Auswahlermessen

Das Finanzamt hatte den Arbeitgeber, eine GmbH, über Lohnsteuer in Haftung genommen. Es hatte dabei im Rahmen des Ermessens gegeneinander abgewogen, ob der Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer für die rückständige Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen seien. Übersehen hatte das Finanzamt jedoch, dass auch der Geschäftsführer des Arbeitgebers als Haftungsschuldner in Betracht kam, zumal gegen den Geschäftsführer ein Strafverfahren wegen Lohnsteuerhinterziehung eingeleitet worden war. Diese Ermessensunterschreitung machte den Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber rechtswidrig und führte zu dessen Aufhebung (BFH, Urteil vom 02.09.2021 – VI R 47/18 -).

Umsatzsteuerhinterziehung in der Lieferkette

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält es mit Europarecht für vereinbar, wenn ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, so wie es in Deutschland geschieht, den Vorsteuerabzug versagt, wenn er sich an einer Lieferkette beteiligt, in der auf einer vorhergehenden Stufe Umsatzsteuerhinterziehung begangen wurde, obwohl er sich an der Hinterziehung nicht aktiv beteiligt hat. Erforderlich sei jedoch, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass in der Lieferkette Steuerhinterziehung begangen wurde (Beschluss vom 14. April 2021 – C-573/20 –).

Vorsteuerabzug des zweiten Erwerbers in betrügerischer Lieferkette

Das FG Nürnberg hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage vorgelegt:

Kann dem zweiten Erwerber eines Gegenstandes der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb versagt werden, weil er wissen musste, dass der ursprüngliche Verkäufer bei der ersten Veräußerung Mehrwertsteuer hinterzog, obwohl auch der erste Erwerber wusste, dass der ursprüngliche Verkäufer bei der ersten Veräußerung Mehrwertsteuer hinterzog?

Für den Fall, dass der EuGH diese Frage bejaht, will das Gericht noch Einzelheiten zur Höhe der Versagung wissen (siehe im Einzelnen Vorlage vom 21. September 2021 – 2 K 345/20 –).

Die Vorlage zeigt, dass die Diskussion über die Versagung des Vorsteuerabzuges in Lieferketten, in denen mindestens ein Glied die Umsatzsteuer hinterzieht nicht zur Ruhe kommt.

Betroffene sollten im Einzelfall fachkundigen Rat einholen.